Vor einigen Jahren fanden Wissenschaftler in einer Studie heraus, dass unser Schönheitsempfinden nicht genetisch vererbt, sondern durch persönliche Erfahrung geprägt ist: 760 ein- und zweieiige Zwillingspaare wurden dazu aufgefordert, Frauen- und Männergesichter nach Attraktivität zu bewerten. Das Ergebnis: Die eineiigen Zwillingspaare zeigten untereinander keine größere Übereinstimmung in ihren Bewertungen als die zweieiigen. Schönheit, so schlossen die Experten daraus, liegt also tatsächlich im Auge des Betrachters – und Schönheitsideale sind weniger in Stein gemeißelt, als wir glauben.

Das ist keine ganz neue Botschaft, trotzdem sollten wir sie unbedingt unseren Kindern vermitteln, denn sie sind besonders empfänglich für Einflüsse von außen, gerade wenn es um ihr Erscheinungsbild geht. Was für Werte werden medial propagiert, was ist gerade in, was gilt als cool oder chic, was machen die Klassenkameraden, was das angehimmelte Idol? Bevor sie ihre eigene Persönlichkeit entfalten, nähern sich Heranwachsende ihr durch Nachahmung und Abgrenzung an. Sie finden sich, indem sie Dinge ausprobieren. Das ist noch nicht zwingend ein Problem. Zu einem solchen wird es erst, wenn ihnen in ihrer Probierfreude Orientierung und ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein fehlen. Dann führt das Bedürfnis, einem bestimmten Bild zu entsprechen, im schlimmsten Fall zu Essstörungen oder dazu, dass sich bereits 14-Jährige nichts sehnlicher wünschen als eine Schönheitsoperation. Um dem vorzubeugen, sind natürlich vor allem die Eltern gefragt: indem sie mit gutem Beispiel vorangehen, genau zuhören, das Selbstvertrauen ihres Kindes stärken und ihm gestatten, eigene Erfahrungen zu machen – aber auch immer wieder klare Grenzen ziehen.

Fragen Sie sich: Helfen Sie Ihrem Kind mit Ihrem eigenen Verhalten, ein gesundes Verhältnis zu seinem Körper gewinnen? Oder stärken ständiges Wiegen und Diäten eher seine Selbstzweifel? Geben Sie Ihrem Kind das Gefühl, Ihre Erwartungen zu enttäuschen oder bestärken Sie es in seiner Persönlichkeit? Die Welt um uns herum suggeriert uns ständig, dass wir unzureichend sind – und bietet uns dann vermeintliche Lösungen an, wie wir daran etwas ändern können. Wenn schon viele Erwachsene auf die trügerischen Heilsversprechen der Werbung hereinfallen, wie sollen ihnen dann Kinder widerstehen, die noch nicht über unsere Lebenserfahrung verfügen?

Bestärken Sie Ihr Kind in seinen positiven Eigenschaften und seinem Bauchgefühl! Ermutigen Sie es dazu, anders zu sein, anstatt irgendwelchen Idealen und Trends hinterherzurennen! Erklären Sie ihm, dass Menschen durchaus unterschiedliche Dinge schön finden – und dass es nicht erstrebenswert ist, jedem zu gefallen. Bringen Sie ihm bei, die Dinge zu hinterfragen! Und machen Sie ihm klar, dass es sein eigenes Glück nicht von der Meinung anderer abhängig machen sollte. Das, was andere von uns denken – finden sie uns schön, klug, interessant, sympathisch? –, können wir nur in sehr begrenztem Maße beeinflussen. Es mag platt klingen, aber es ist tatsächlich viel wichtiger, dass wir mit uns selbst glücklich sind. Genau das besagt schließlich eine andere bekannte, aber deshalb nicht weniger wahre Weisheit: Wahre Schönheit kommt von innen.

Ihre Anja Funkel