Über dem Burgturm schlägt der Blitz ein, fährt durch eine Metallspule in den darunter auf einer Bahre liegenden Körper, der nur wenig später zu neuem Leben erwacht: Die Szene stammt aus der berühmten Verfilmung von Mary Shelleys Roman „Frankenstein“. Die Idee, Körper durch Energiezufuhr von außen zu stimulieren, stammt aber nicht von der Autorin, sie beschäftigte die Wissenschaft schon lange vor ihr. Heute hat sie unter anderem in Form von EMS-Training Einzug in unseren Alltag gehalten – aber damit sind längst noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Das beweist ein Besuch bei Priv.-Doz. Dr. med. Lars Wojtecki, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Neurorehabilitation im Hospital zum Heiligen Geist in Kempen. Er beschäftigt sich sowohl mit der transkraniellen Gleichstromstimulation (TDCS: Transcranial Direct Current Stimulation) als auch mit der transkraniellen Magnetstimulation (TMS). Elektrische oder magnetische Impulse werden durch den Schädel ans Gehirn gesendet, wo sie bestimmte Areale stimulieren und eine entsprechende Reaktion auslösen. „Wir untersuchen derzeit, inwiefern sich die beiden Methoden zu therapeutischen Zwecken eignen“, erklärt Wojtecki. Es gibt Indizien dafür, dass die transkranielle Gleichstrom-Stimulation in Verbindung mit Sprachtraining helfen kann, Aphasie-Patienten, die nach einem Schlaganfall  an Sprachstörungen leiden, das Sprachvermögen zurückzugeben. Ähnliches gilt für die transkranielle Magnetstimulation, die nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert. Ein Unterschied zwischen Strom- und Magnetstimulation betrifft die Genauigkeit des Impulses, denn während Gleichstrom größere Areale stimuliert, lässt sich der Magnetimpuls zentimeter- bis millimetergenau ausrichten. „Wir nutzen die Methode deshalb schon jetzt in der Diagnostik, wenn es etwa im Vorfeld einer Gehirnoperation darum geht, ein exaktes ,Mapping’ des Gehirns und der einzelnen Areale zu erstellen“, so Wojtecki. „Wir erhoffen uns auch, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, inwiefern die Magnetstimulation Einfluss auf die Plastizität nimmt, also die Fähigkeit des Gehirns, sich selbst umzubauen.“ Es könnte sein, dass die Stimulation des Gehirns nicht nur den Abbau durch eine degenerative Erkrankung stoppen, sondern vielleicht sogar neues „Wachstum“ befördern könnte. Bislang beschränken sich die Erfolge jedoch auf die Beobachtung kurzfristiger positiver Effekte, die aber noch keine endgültige Gewissheit bringen.

Der Magnetimpuls wird mit einer Art Kelle ausgesendet: Am Kopf fühlt er sich wie ein leichter Schlag mit dem Fingerknöchel an. Die Klinik versorgt derzeit noch wenige Patienten. Wojtecki hofft, mittelfristig stichhaltige Belege zur Wirksamkeit liefern und die Magnetstimulation dann in der Therapie zur breiteren Anwendung bringen zu können. 

In den USA will man so lange nicht warten. Dort schießen schon sogenannte Magnetstimulationskliniken aus dem Boden, die ihren Kunden das Blaue vom Himmel versprechen. „Neuro-Enhancement“ lautet das wohlklingende Zauberwort. Wojtecki bleibt hingegen sachlich und gelassen, für Euphorie und Heilsversprechen sei es noch zu früh. Aber vielleicht steht tatsächlich ein großer medizinischer Fortschritt ins Haus. Ganz ohne Blitzschlag. 

Hospital zum Heiligen Geist, Akademisches Lehrkrankenhaus der 
Universität Düsseldorf, Von-Broichhausen-Allee 1, 47906 Kempen
Telefon: 02152-142-0, info@krankenhaus-kempen.dewww.krankenhaus-kempen.de