Die meisten Lebensbereiche unseres digitalen Zeitalters werden begleitet und unterstützt von Software. Die Apps auf dem Smartphone, das Touch-Pay-Prinzip an der Supermarktkasse und das Tracking unserer Bewegungsdaten sind heute für beinahe jeden Bürger selbstverständlich. Praktisch, schnell und übersichtlich sind diese Anwendungen, sie optimieren unseren Alltag. Ein Feld, in dem in Sachen Digitalisierung noch großes Potenzial herrscht, ist die Gesundheitsbranche. An der Hochschule Niederrhein lernen technikaffine Studierende im Studiengang Medizinische Informatik das Handwerkszeug, um die smarte Zukunft dieses Ressorts mitzugestalten.

Professor Bernhard Breil sieht noch viel Spielraum, was die Ausstattung medizinischer Institutionen mit Software anbelangt. Im Rahmen seiner Professur für Gesundheitsinformatik vermittelt er den Studierenden neben Programmierkenntnissen vor allem wichtiges Grundlagenwissen in Medizinischer Informatik, Usability und Projektmanagement. „Ich denke, wir stehen da noch am Anfang. Im Bankenwesen zum Beispiel läuft alles nur noch digital. Onlinebanking ist völlig selbstverständlich geworden. Davon sind wir beispielsweise mit der elektronischen Patientenakte noch weit entfernt. Projekte wie das ‚papierlose Krankenhaus‘ sind erste Schritte, aber nicht die Regel. Online-Terminvergabe kommt auf, hat sich aber noch nicht übergreifend etabliert. Da ist noch viel Luft nach oben, auch wenn man mal einen Blick in die Nachbarländer wirft.“ 

Ähnlich wie in vielen anderen Lebensbereichen könnten auch im Gesundheitswesen diverse Abläufe mit Hilfe entsprechender Programme optimiert und beschleunigt werden. Doch im Gesundheitswesen zählt nicht nur die Geschwindigkeit, denn im Vordergrund steht die Behandlung der Patienten. Hier kann die Digitalisierung dazu beitragen, Doppeluntersuchungen zu vermeiden und die Qualität der Behandlung zu erhöhen, indem Information ausgetauscht und vernetzt werden. „In der medizinischen Informatik geht es hauptsächlich um Software. Wir sind diejenigen, die Systeme aufbauen und Schnittstellen spezifizieren, um Informationen clever zu vernetzen“, erläutert Breil. Besonders die Interoperabilität, also das nahtlose Ineinandergreifen unterschiedlicher klinischer und administrativer Informationssysteme, sei ein wichtiges Themengebiet im Verlauf des Studiengangs. 

Da das Studium bei den einfachsten Grundlagen ansetzt und sehr praxisnah ausbildet, lernen auch Studierende ohne große Vorkenntnisse innerhalb von sechs (Vollzeit) bis acht (in der Dual- oder Teilzeit-Variante) Semestern alle nötigen Skills für die berufliche Zukunft. Und die kann zahlreiche Formen annehmen – Medizininformatiker sind sehr gefragt. „Viele Krankenhäuser und andere Institutionen suchen händeringend nach guten Leuten, die ihnen dabei helfen können, die vielfältige Systemlandschaft vor Ort zu betreuen und auszubauen, und Softwarehersteller benötigen Entwickler und Produktmanager“, weiß Breil. Schon während des Studiums lernen die Studierenden potenzielle spätere Arbeitgeber und Kooperationspartner aus der Region kennen.  „Wir wollen hier keine Theoretiker ausbilden, sondern praxisnah lehren, und das gelingt nur, wenn wir eng mit den Unternehmen verdrahtet sind.“ Ziel ist es, den Studierenden bis zu ihrem Abschluss fundierte Kenntnisse medizinischer Grundlagen, der Programmierung und Anwendung von eHealth-Applikationen wie Gesundheitstelematik sowie des Marketings im medizinischen Sektor zu vermitteln. Die Absolventen sollen dann in der Lage sein, digitale Prozesse zu analysieren und bei Bedarf sinnhaft an neue Gegebenheiten anzupassen. Zu den Fächern, die in insgesamt 17 Modulen unterrichtet werden, gehören unter anderem Programmierung, Informationstechnologie, Technik und Diagnostik im Gesundheitswesen, Ethik und Datenschutz sowie Klinische Medizin. 

Der Hochschulkontext bietet den Studierenden außerdem einen Zugang zu diversen Forschungsprojekten, an denen sie zum Teil auch mitwirken dürfen. Diese verlaufen oftmals interdisziplinär und verknüpfen Bereiche wie Programmierung und Technik. Derzeit arbeitet ein Professorenteam beispielsweise an der Entwicklung eines smarten Verbands, der selbst erkennt, wann er gewechselt werden und die Wunde neu versorgt werden muss. „Ich persönlich bin im Bereich der Schnittstelle Mensch-Computer-Interaktion tätig und schaue mir an, welche Eigenschaften ein Produkt haben muss, um von einem Patienten genutzt zu werden und welche Determinanten bei den Menschen zu einer höheren Technikakzeptanz führen“, erläutert Bernhard Breil. Da womöglich eines Tages nicht nur Fachkräfte in der Lage sein sollen, interinstitutionelle Software zu bedienen und zu pflegen, sondern künftig auch ein möglichst reibungsloses Mitwirken von medizinischem Personal und Patienten erwünscht ist, hat sich der Dozent mit diesem Bereich ein hochrelevantes Forschungsgebiet ausgesucht. 

Auch, wenn Deutschland sich im internationalen Vergleich langsamer mit der Digitalisierung aller Lebensbereiche anfreunden mag, wird es auch hier auf lange Sicht mehr und mehr systemgestützte medizinische Abläufe geben. Projekte wie ein digitales Dauertracking der Vitalwerte mit automatischer Übermittlung an den Hausarzt, smarte Medikamentenorganisationssysteme oder spezielle Reha-Apps für OP-Patienten sind heute bereits mehr als nur Ideen – und sofern sie nicht bereits etabliert sind, wird es nicht mehr lange dauern, bis es so weit ist.

Hochschule Niederrhein, Gebäude H, Fachbereich 10 (Gesundheitswesen), Reinarzstraße 49, 47805 Krefeld,
Infos zum Studiengang: www.hs-niederrhein.de/gesundheitswesen/studieninteressierte/b-sc-medizinische-informatik