Eine junge Frau läuft zum Supermarkt, um frische Milch zu kaufen; sie geht denselben Weg wie immer, an einem gewöhnlichen Mittwochnachmittag. Plötzlich fühlt sie sich unwohl, ein Unbehagen steigt in ihr auf. Ihr wird warm, ihre Hände beginnen zu schwitzen, ihr wird schwindelig. Schließlich empfindet sie nur noch blanke Panik. Ohne Vorwarnung und scheinbar grundlos. Warum sollte man bei einer alltäglichen Unternehmung plötzlich Angst haben? Wovor? Dieses Szenario mag zunächst unvorstellbar erscheinen, doch was hier gerade beispielhaft beschrieben wurde, wird für mehrere hunderttausend Menschen in Deutschland regelmäßig zur Realität: Sie leiden an einer Panikstörung.

Katharina Jansen arbeitet als psychologische Psychotherapeutin in Duisburg. Die gebürtige Krefelderin hat sich auf die Therapie von Angststörungen spezialisiert. Bei einer sogenannten Panikstörung erleben die Betroffenen impulsiv auftretende Angstzustände. Die heftigen körperlichen Reaktionen wie starkes Schwitzen, Zittern, Schwindel und Herzrasen nehmen den Betroffenen scheinbar jede Macht über den eigenen Körper. „Eine klassische Panikstörung ist nicht an eine bestimmte Situation gebunden“, erklärt die Psychologin. Rund fünf Prozent aller Deutschen leiden an einer Panikstörung, die Hälfte von ihnen in Verbindung mit einer sogenannten Agoraphobie, der Angst, sich vom vertrauten Umfeld zu entfernen. Mögliche begünstigende Faktoren können Kontrollzwang, Burnout, grundsätzliche Ängstlichkeit und ein Hang zur Konfliktvermeidung sein. Allgemein definierte Ursachen gibt es nicht.

Bei den meisten Angstpatienten läuft die Entwicklung einer Panikattacke zyklisch ab: Ein Gedanke entsteht, dem der Betroffene eine übersteigerte Bedeutung beimisst, was dazu führt, dass der Körper und die Psyche mit Stress reagieren. Der Adrenalinspiegel steigt, das Herz klopft schneller, die Atemfrequenz erhöht sich. Diese Spirale aus Befürchtungen und körperlichen Reaktionen führt schließlich zum Panikausbruch. Diesen Verlauf nennt man auch das Teufelskreismodell. Aus „Angst vor der Angst“ wählen viele Panik-Patienten den Weg der Vermeidung. Sie versuchen, unangenehmen Situationen schnellstmöglich zu entkommen, suchen Ablenkung oder gehen möglichen Angstauslösern völlig aus dem Weg. „Bei Panikpatienten mit einer zusätzlichen Agoraphobie kann es so schlimm werden, dass sie nicht mehr alleine mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, Alltagsaufgaben wie Einkäufe an andere delegieren oder schließlich gar nicht mehr das Haus verlassen“, erklärt Katharina Jansen. 

Der Leidensdruck ist für die Betroffenen extrem hoch. Freunde und Familie haben Probleme, den plötzlichen Rückzug des Erkrankten einzuordnen, und die Patienten selbst sehen sich der scheinbar unmöglichen Aufgabe gegenübergestellt, den Teufelskreis zu verlassen. „Oft werden Panikpatienten Beruhigungsmittel verschrieben. Diese blockieren zwar die Symptome, können allerdings abhängig machen. Da sie nicht die Ursache bekämpfen, fangen die Panikattacken höchstwahrscheinlich wieder an, sobald die Beruhigungsmittel abgesetzt werden“, erklärt die Psychologin und ergänzt: „Angst folgt immer einem bestimmten Schema: Ein unbehagliches Gefühl steigert sich zur Panik. Die Panik hält allerdings nur einige Minuten lang an. Dann sinkt der Adrenalinspiegel, und der Körper findet in den Normalzustand zurück. Für die Betroffenen ist dieser Verlauf aber erst einmal undenkbar. Die größte Furcht kommt durch die Annahme, dass die Panik immer größer werden oder bleiben könnte“, erzählt sie weiter. Eine Verhaltenstherapie hilft Betroffenen, ihre körperlichen Reaktionen auf die Panik kennen und kontrollieren zu lernen. Hierzu werden von vielen Therapeuten sogenannte Expositionsübungen mit den Patienten durchgeführt, bei denen sie sich bewusst und in Begleitung der Angst aussetzen. Der Prozess, sich der eigenen Angst zu stellen, ist zwar nicht leicht, aber er bringt ein unersetzliches Erlebnis: Erfolg. „Die Patienten dachten monateoder jahrelang, dass ihre Angst unbezwingbar ist. Und plötzlich erleben sie, dass sie von selbst wieder verschwindet“, so Katharina Jansen.

Ein Alltag ohne Angst ist für gesunde Menschen selbstverständlich, für Panikpatienten hart erkämpft. Wir sind nur dann in der Lage, impulsive Gefühle zu hinterfragen, wenn wir unsere Gedanken und das Verhalten unseres Körpers richtig einzuordnen und zu kontrollieren wissen. Das Bewusstsein dafür können Betroffene mit professioneller Hilfe wiedererlangen. Die Angst wird nicht einfach verschwinden. Ab und zu wird sich das mulmige Gefühl wieder im Bauch der jungen Frau ausbreiten, wenn sie sich auf den Weg zum Supermarkt macht. Aber sie wird ihm nicht mehr den Raum geben, zu wachsen.