Der Schrei ist gellend laut und klingt so gefährlich, dass er fast ausreichen könnte, um einen Angreifer in die Flucht zu schlagen. „Gut so“ , grinst Ella Ouwens, die zusammen mit fünf anderen Frauen wie jeden Mittwoch in der Krefelder Taiwan Do Akademie den Kampfschrei übt. Er ist Bestandteil der Kampfkunst Chinesisches Kickboxen, das die 16-jährige Schülerin hier seit einem Jahr trainiert. Sie sagt: „Wir lernen Fußtritte, Fausthiebe, Knieund Ellenbogenstöße und Kombinationen daraus.“ Das Aufwärmtraining sieht harmlos aus, ein bisschen wie Aerobic mit Boxhandschuhen. Zu hämmerndem Discobeat lassen Ella und die anderen Krefelder Kampfkünstlerinnen die Fäuste nach vorne fliegen, dann die Füße, dann wieder die Fäuste. Die Frauen sind konzentriert bei der Sache, denn die von Trainer Shi Zhu Mario Frerker geforderten Bewegungen werden immer komplizierter zu koordinieren. Trotzdem ist den Kickboxerinnen der Spaß dabei anzusehen. Beim Dehnen macht der Trainer die Musik aus; die Frauen sollen bewusst und kontrolliert atmen, und das will er hören. Gekräftigt wird die Muskulatur dann mit klassischen Übungen wie Liegestützen, Sit-Ups und Kniebeugen. Beim Technik- und Selbstverteidigungstraining schließlich lernen die Frauen das konkrete Kämpfen. Ein Teil dieses Trainings wird ohne Anfassen ausgeführt, ein Teil mit Körperkontakt. Als Ella gegen die etwas ältere Arzthelferin Hannah einen Handballenschlag ausprobiert und sie nicht berührt, dabei aber laut schreit und ihre Hand nur wenige Zentimeter vor dem Gesicht stoppt, wird klar, wie stark schon dieses „Trockentraining“ die Frauen auf Selbstbeherrschung und Geistesgegenwart fokussiert. Ella und ihre Kolleginnen können Schläge oder Tritte ausführen, die andere außer Gefecht setzen. Aber sie wollen nicht prügeln oder kämpfen, sondern sich nur verteidigen können, wenn sie angegriffen werden. Ella erzählt: „Zum Glück war noch keine von uns in so einer Lage, und wir werden es hoffentlich auch nie kommen. Das Training macht uns stark und selbstbewusst. Wir wirken nicht wie ‚Opfer‘ , nicht so ängstlich und verletzlich, das schützt auch.“

Generell haben Kickboxer den Ruf, aggressiv und brutal zu sein. Das weiß auch Taiwan Do Akademieleiter Mario Frerker, der sogar sagt: „Gezielt gegen den Kopf zu treten grenzt für mich an gefährliche Körperverletzung. Das will bei uns keiner! Wir betreiben unsere Kampfkunst nach dem Motto ‚Der beste Kampf ist der vermiedene Kampf‘ . Wir ziehen keine Killermaschinen heran, wir lehren Chinesisches Kickboxen vor allem als ganzheitlichen Sport.“ Wie die anderen Kampfkunst- und Gesundheitslehren in der Krefelder Taiwan Do Akademie beruht Chinesisches Kickboxen auf den fünf „Säulen“ Atmung, Haltung, Konzentration, Bewegung und Praktische Lebensphilosophie. Ella sagt, sie habe hier vor allem Spaß und fühle sich sehr fit. Das Training helfe ihr, sich zu erden und Spannungen abzubauen. Außerdem sei sie viel selbstbewusster geworden und habe sich geöffnet. Ein schöner Effekt – neben dem guten Gefühl, sich im Notfall wehren zu können.

Taiwan Do Akademie, Moritzstraße 3, 47803 Krefeld, Tel. 02151/755863, www.taiwando.de