Brustkrebs ist das mit Abstand häufigste Krebsleiden bei Frauen in Deutschland, jährlich gibt es rund 70 000 Neuerkrankungen. Das Krefelder HELIOS Klinikum bietet neue, hocheffektive Diagnostik- und Therapieoptionen an. Prof. Michael Friedrich, 50, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am HELIOS Klinikum sowie der ebenfalls 50-jährige Privatdozent Dr. Stefan Krämer, Ärztlicher Leiter am Brustzentrum Linker Niederrhein im selben Hause, erläutern Details und klären über die Erkrankung auf.

Herr Dr. Krämer, wo setzt die innovative Behandlungsmethode gegen Brustkrebs an? Dr. Stefan Krämer: Nach einer brusterhaltenden Operation an einer von Tumorzellen befallenen Brust, gilt die operierte Brust als Risikobereich, in welchem auch nach Entfernung des Tumors Rückfälle auftreten können. Der gesamte Brustbereich muss deshalb im Anschluss an die Operation einige Wochen lang bestrahlt werden. Ebenso wird für eine weitere Woche gezielt die Region, in der sich der Tumor befand, einer Bestrahlung ausgesetzt. Wir nennen das Boost-Bestrahlung. Ab sofort bieten wir an, diese letztgenannte einwöchige Bestrahlung durch ein anderes Verfahren zu ersetzen.

Was genau ist das für ein Verfahren? Prof. Michael Friedrich: Bereits während der Operation setzen wir ein neues Gerät ein. Es kann direkt in die offene Wunde platziert werden und das sogenannte  'Tumorbett' quasi  'von innen' bestrahlen. Je nachdem, wie groß der Tumor war und wie tief er lag, wird der Applikator millimetergenau ausgerichtet. So können empfindliche Strukturen aus dem Bestrahlungsfeld herausgehalten werden. Dadurch kann eine stärkere Dosis verabreicht werden, die eine hohe Effektivität mit geringen Nebenwirkungen verbindet. Mit dieser sogenannten intraoperativen Bestrahlung können wir die Sicherheit erhöhen, dass der Krebs in der Brust nicht wiederkommt. 

Welche Erwartungen darf man mit diesem Verfahren verbinden?  Dr. Stefan Krämer: Die Rückfallquote sinkt. Laut internationalen Studien wird in den ersten fünf Jahren nach der Operation bei weniger als zwei Prozent der Patientinnen erneut ein Tumor entdeckt. Somit können wir erkrankten Frauen mit Brustkrebs auch hier in Krefeld die derzeit weltweit sicherste Lokalbehandlung – eine Kombination aus brusterhaltender Operation und zielgerichteter Bestrahlung - anbieten. 

Das Helios-Klinikum bietet zudem einen Test an, mit dem herausgefunden werden kann, ob eine Chemotherapie sinnvoll ist oder nicht. Was genau ist das für ein Test? Prof. Michael Friedrich: Brustkrebs ist mit Diagnosestellung eine systemische Erkrankung. Neben der lokalen Behandlung, die aus Operation und Strahlentherapie besteht, ist auch die systemische, im ganzen Körper wirksame Behandlung von großer Bedeutung. Dazu zählen die Möglichkeiten einer Antihormontherapie, einer Antikörpertherapie und einer Chemotherapie. Welche Form einer systemischen Behandlung zum Einsatz kommt, ist vom Risikoprofil und den tumorbiologischen Eigenschaften des Brustkrebses abhängig. In den letzten Jahren haben sich neue Testverfahren, die sogenannten Multigentests, etabliert, mit deren Hilfe das Risikoprofil genauer bestimmt werden kann als mit den herkömmlichen Verfahren. Hierbei überprüfen wir die Notwendigkeit einer Chemotherapie mit einer Biopsie, also der Entnahme einer Gewebeprobe aus dem Tumor, die bei uns im Labor durch den Multigentest auf das Patienten-spezifische Rückfallrisikoprofil untersucht wird. Mit diesem Test können wir sicherstellen, dass wir die Chemotherapie bei Patientinnen mit Brustkrebs nur dann einsetzen, wenn sie wirklich einen Vorteil bringt. So wird vielen Patientinnen, etwa einem Drittel, die belastende Therapie erspart. Gleichzeitig haben Frauen, bei denen das Testergebnis zeigt, dass die Chemotherapie notwendig ist, größere Gewissheit. 

Welche Hoffnung gibt es für Frauen, die eine Chemotherapie bekommen müssen und unter Haarausfall leiden? Dr. Stefan Krämer: Wir bieten hier die sogenannte ,Kälte-Kappe' an. Zur Chemo-Infusion bekommt die Patientin eine Kopfbedeckung aufgesetzt, die an ein Gerät angeschlossen ist, in dem sich Kühlflüssigkeit befindet. Über Schläuche pumpt das Gerät diese Kühlflüssigkeit in die Kappe. Dadurch wird die Kopfhaut heruntergekühlt und die Durchblutung herabgesetzt. Das hat zur Folge, dass weniger Zellgift über das Blut in die Kopfhaut gelangt und die Haarwurzeln angreift. Prof. Michael Friedrich:Zwei Drittel der Patientinnen kann man so während einer Chemotherapie den kompletten Haarausfall ersparen.           

Wie entsteht Brustkrebs eigentlich? Prof. Michael Friedrich: Umweltfaktoren, die als Risikofaktoren für das Auftreten von Brustkrebs gelten, sind zum Beispiel übermäßiger Alkoholkonsum, Rauchen, fettreiche Ernährung oder Bewegungsmangel. Gifte und eine ungesunde Lebensweise können die DNA schädigen. Normalerweise verfügt eine Zelle über Mechanismen, um diese Schäden zu reparieren. Diese Reparaturfunktion kann jedoch überlastet sein und versagen, weil zu viele Schädigungen auf einmal auftreten oder die Fähigkeit eines DNA-Reparaturgens möglicherweise von Geburt an im Sinne des erblichen Brustkrebses vermindert ist. 

Mit anderen Worten, Brustkrebs ist vererbbar? Dr. Stefan Krämer: Ja, das betrifft aber nur fünf bis zehn Prozent aller Brustkrebspatientinnen.

Wie kann man herausfinden, ob man ein Brustkrebs-Risikogen in sich trägt? Prof. Michael Friedrich: Hierzu gibt es Tests, mit denen man eine Blutprobe einer Patientin auf sogenannte Hochrisiko-Gene untersuchen lassen kann. Dazu zählen zum Beispiel ,BRCA1' und ,BRCA2' , die im Englischen als ,Breast-Cancer-Gene' bezeichnet werden, also als Brustkrebsgene. Der Name rührt aus ihrer ursprünglichen Funktion: Sie haben eigentlich die Aufgabe, die Tumorentstehung zu unterdrücken. Sind ,BRCA1' und ,BRCA2' jedoch mutiert, können sie ihrer eigentlichen wichtigen Aufgabe nicht mehr nachkommen und das Risiko der Frau, an Brust- und auch an Eierstockkrebs zu erkranken, ist stark erhöht. Dr. Stefan Krämer: Daneben gibt es auch noch andere Risikogene, etwa das ,RAD51C'-Gen, die das Erkrankungsrisiko für Brust- oder Eierstockkrebs begünstigen können. Wichtig ist eine umfassende und offene Beratung für Frauen aus belasteten Familien und eine mögliche genetische Testung. Dann können Betroffene zusammen mit ihren Ärzten über weitere Konsequenzen - eine intensive Vorsorge oder prophylaktische Operationen - selbstbestimmt entscheiden.

Helios Klinikum Krefeld, Brustzentrum Linker Niederrhein, Lutherplatz 40, 47805 Krefeld, Tel.: 02151- 32 2243, www.helios-kliniken.de/klinik/krefeld.html

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