„Die Sprungfedern als Widerstand erinnern noch heute an die Erfindung der Geräte“ , erklärt Claudia Holtmanns, als ich liegend unter Kraftaufwand versuche, meine Beine in eine senkrechte Position zu bringen. „Es heißt, dass Joseph Hubertus Pilates, als der erste Weltkrieg ausbrauch, auf die Isle of Men interniert wurde, da er zu der Zeit in England lebte. Dort hat er begonnen, seine Mitgefangenen zu trainieren. Um den Männern trotz weniger Mittel, Kräftigung zu ermöglichen, funktionierte er zum Beispiel die Sprungfeder aus den Betten um und schaffte so Trainingsgeräte.“

Wer heute an Pilates denkt, stellt sich in erster Linie sportbegeisterte Frauen vor , die auf der Matte liegend ihre Bein-, Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur stärken. Wer einmal bei Claudia Holtmanns im Pilatesstudio „find yourself“ in Meerbusch zu Besuch war, weiß, dass das ursprüngliche Training deutlich umfassender ist. „Das klassische Pilatestraining basiert auf der Arbeit am Gerät, das Mattentraining ist nur ein kleiner Teil des genialen Gesamtprogrammes. Und lange bevor Faszien im Sport und der Physiotherapie Beachtung fanden, wusste er , wie ein gezieltes Training den Bewegungsapparat langfristig stärkt. Damit war Pilates seiner Zeit weit voraus“ , erklärt die Krefelderin. Claudia Holtmanns kann viele Geschichten über den Mann erzählen, der in Mönchengladbach als Brauerei-Gehilfe arbeitete und erst viele Jahre später ein erfolgreiches Trainingsstudio in den Räumlichkeiten des New York City Ballets eröffnete, denn die 49-Jährige hat selbst bei Schülern des Pilateserfinders gelernt. „Nach meiner Ausbildung  bei  ‚The Pilates Coach‘ und ‚Polestar‘ wollte ich mehr. Ich habe mich auf die Suche nach denjenigen gemacht, die Pilates noch persönlich gekannt haben und versucht, in Kontakt zu kommen“, erinnert sich die Trainerin. Eines Nachts tat sie einen mutigen Anruf bei der Amerikanerin Lolita San Miguel, Schülerin des Pilates und heute Ikone auf dem Gebiet. „Ich fragte sie, ob sie nicht einmal einen Kurs in Deutschland machen möchte, und sie stellte mir zwei Bedingungen“, sagt Holtmanns und lacht. Die erste: Die junge Trainerin soll weitere elf Trainerinnen finden, die sich bei San Miguel weiterbilden möchten und zweitens, es soll eine große Veranstaltung in der Geburtsstadt von Pilates, in Mönchengladbach, stattfinden, um weitere Menschen für das Training zu begeistern. „Und so war ich auf einmal Mitinitiator der internationalen Pilates-Conference“, sagt Holtmanns. Die Verantwortung für den internationalen Kongress, der heute einen hohen Stellenwert bei hochklassigen Trainern aus der ganzen Welt hat, liegt damals bei San Miguel, die heute mit 82 Jahren die Leitung an Kathy Corey,  eine namhafte Trainerin in der Pilates-Szene, abgegeben hat. Bei Claudia Holtmanns steigt die Begeisterung für den Sport von Jahr zu Jahr. 

„Für mich ist Pilates ein Training, das den Körper stärkt und ihn flexibler macht und dabei gleichzeitig Körper und Geist miteinander vereint“, schwärmt sie. „Dabei findet das Training für jedes Muskelbild und für alle Bedürfnisse individuelle Übungen.“ Ob Menschen, die an Multipler Sklerose leiden, Schmerzpatienten, Profisportler oder Hobbygolfer , die ihr Handicap verbessern möchten: Im Gruppen- und Personaltraining fordert die Trainerin jeden so, wie er es gerade braucht. „Ich kann so arbeiten, dass dem Profifußballer nach zwanzig Minuten die Beine zittern, aber auch so, dass sich die 80-jährige Großmutter bei mir wohlfühlt", erklärt Holtmanns und lacht. „Das ist das Schöne beim Pilates am Gerät, wir haben so viele Möglichkeiten.“  Es gibt verschiedene klassische Holzgeräte, die Pilates erfunden hat: Zum Beispiel den Reformer, den Cadillac, den Chair, das Barrel und den Spine Corrector. Was aussieht, wie ein Abenteuerspielplatz im Käfig, hilft, die Körperspannung zu trainieren, die Wirbelsäule zu dehnen oder die Muskulatur zu stärken. „Alleine mit dem Cadillac könnten wir ohne Probleme den ganzen Tag arbeiten“, sagt die Sportlerin und hängt sich mühelos mit beiden Füßen in Schlaufen in das Gerät. Jede Übung wird nur wenige Male wiederholt, dafür füllt sich eine Stunde mit umso mehr unterschiedlichen Figuren. Auch der Reformer, der ein bisschen aussieht wie eine Art Streckbank, kann unterschiedlich eingesetzt werden. In liegender und in stehender Position werden meine Beine gedehnt, gestreckt und gefordert. Fast spielerisch erklärt Claudia Holtmanns die besondere Atemtechnik beim Training: „Wir atmen tief in den Brustkorb und ermöglichen durch eine vollständige Ausatmung, dass die Lunge frei ist für frischen Sauerstoff. Der Körper wird dadurch gut versorgt, aber mental gleichzeitig entlastet.“ Pilates wirke so meditativ. Auf alle Einflüsse zu verzichten, sei in einer Zeit, in der ständig das Smartphone an der Hand klebt und das Radio läuft, unbedingt notwendig. „Ich trainiere selbst in meinen Stunden nicht mit, aber nutze Pilates auch privat täglich für mich“, sagt die 49-Jährige, die gemeinsam mit Mann und vier Kindern in Krefeld lebt. „Ich fühle mich danach körperlich viel besser und mental entspannt.“

Inspiration für das Training holt sich Holtmanns nicht nur aus Weiterbildungen, sondern auch von Reisen. Vor allem in Amerika gibt es beeindruckende Pilatestrainer . „Erst im März war ich in New York und habe, natürlich, unter anderem das erste Pilatesstudio im Gebäude des City Ballets besucht“ , erinnert sich die Krefelderin und schmunzelt.  „Auf den Spuren von Pilates – auch das gehört für mich eben dazu.“

Claudia Holtmanns,Pilatesstudo find yourself, Moerser Straße 100b in Meerbusch-Büderich. Telefon: 0178 5370944. Weitere Informationen finden Sie im Netz: www.findyourself.de