Pünktlich auf die Minute treffen die Frauen bei Martina Neues ein, um für eineinhalb Stunden eine intensive Auszeit vom Alltag zu nehmen. In der Krefelder Yogaschule „Yogaleben“ tauchen sie ab in eine andere Welt. Der Übungsraum bietet Platz für etwa ein Dutzend „Yogis“ , wie Martina Neues ihre Schülerinnen und auch Schüler nennt. Zwölf Matten mit bunten Kissen und Decken liegen nebeneinander auf dem Boden; bis auf einige Gebetswimpel und den „Om“-Schriftzug auf Deutsch und auf Sanskrit sind die weißgekalkten Wände minimalistisch. Das Licht ist gedämpft, kommt von Bodenstrahlern und von Kerzen im Zentrum des Raumes, die um eine etwa 40 Zentimeter hohe Buddhastatue herum gruppiert sind. Mit einfachen, aber wirkungsvollen Mitteln hat Martina Neues einen Raum geschaffen, in dem ihre Yogis abschalten und sich konzentrieren können. 

Die Frauen an diesem Mittwochabend sind eine gut aufeinander eingespielte Gruppe. Sie verteilen sich, schließen mit größter Selbstverständlichkeit die Augen, und schon geht es im Stehen los mit Atemübungen in der „Bergposition“ . Martina Neues gibt ihre Anweisungen sowohl auf Deutsch als auch auf Sanskrit. Bei den Worten „Atmung umstellen auf Ujjayi“ wissen alle, was gemeint ist: mit einem an Stöhnen oder leises Schnarchen erinnernden Geräusch die Luft langsam ausströmen lassen, um durch die bewusste Gestaltung der Atemzüge Konzentration, Kontrolle und Energie zu gewinnen. Für Außenstehende sieht das sehr langsam und nicht sonderlich sportlich aus. Aber im Laufe der folgenden 90 Minuten bekommen wir einen eindrucksvollen Einblick, wie anspruchsvoll und anstrengend die sich steigernden und immer dynamischer werdenden „Asanas“ genannten Übungen tatsächlich sind. Zum Beispiel das vornübergebeugte Stehen im rechten Winkel: klingt kinderleicht, doch schon muss Martina Neues von Schülerin zu Schülerin gehen, um sanft zu korrigieren. Mit den Worten „Das musst du noch nicht schaffen! Mach nur, was dir gut tut“ , vermittelt sie einer jungen Mutter, die vor drei Monaten entbunden hat, dass sie ihre Grenzen wahrnehmen und einhalten soll. Generell ist für Martina Neues wichtig, dass in „ihrem“ Yoga kein Dogmatismus herrscht. Auch wenn sie seit Jahren Yoga betreibt, seit zehn Jahren selbst Yogalehrerin ist und täglich durchschnittlich drei Stunden praktiziert – die 51-Jährige betont, wie bodenständig sie geblieben sei. Zwar sei Yoga ihr „Lebenselixier“ , das ihr die Kraft gebe, ihren anstrengenden Berufsalltag als Angestellte und sehr fordernde private Umstände zu meistern. Aber sie als „Bewegungsmensch“ habe immer schon für und von Sport gelebt. Bevor sie Yoga für sich entdeckte, hatte sie 15 Jahre im Fitnessbereich gearbeitet. Und so begeistert sie auch Yoga unterrichtet, so sagt sie doch: „Ich glaube, dass wir nicht alles erklären können zwischen Himmel und Erde. Totale Askese? Das lehne ich ab.“ Jetzt schaut die Yogalehrerin in die Runde ihrer Yogis, die gerade in der Übung „Kobra“ auf ihre Anweisung hin ihre Oberkörper hoch, dabei die Schultern aber herunterziehen, und fügt hinzu: „Wir sind nicht alle Vegetarier, und wenn es was zu feiern gibt, dann trinken wir auch schon mal ein Gläschen zusammen.“ Spaß, Entspannung und Lebensfreude, das sei, was sie und ihre Schülerinnen und Schüler aus dem Yoga gewönnen, so Martina Neues. Daraus zögen sie Fitness, Gesundheit und Wohlbefinden. 

Ursprünglich ist Yoga eine jahrtausendealte, indische, auf Hinduismus und teilweise auch Buddhismus basierende Lehre, die mit Hilfe körperlicher und geistiger Übungen eine Verschmelzung von Bewusstsein und Körper zu schaffen versucht. Vermischt mit westlicher Esoterik, Psychologie, neuen Trainingsmethoden und weiteren Zeitgeisteinflüssen, entstand das im Westen gelehrte Yoga etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Dass diese Form von Yoga seit geraumer Zeit boomt und beinahe ein Volkssport geworden ist, begrüßt Martina Neues einerseits - wegen der ganzheitlich erhebenden Wirkung.  Aber einen Yoga-Kurs zu besuchen, weil es Mode ist, davon hält sie nichts: „Man braucht Ruhe und das Gefühl, dort gut aufgehoben zu sein. Und ganz wichtig ist, dass die Lehrer intensiv und gut ausgebildet sind.“ Sie selbst hat sich drei Jahre lang in Neuss ausbilden lassen und sagt, besonders die anatomischen Kenntnisse müssten fundiert sein. Sie warnt: „Wenn man etwas falsch macht, kann auch Yoga riskant werden. Man riskiert Zerrungen bis hin zu schwerwiegenden physiologischen Verletzungen.“ Um ihr eigenes Wissen über den menschlichen Körper und die Zusammenhänge von Bewegung und Gesundheit auszubauen und um ihr Angebot zu erweitern, absolviert Martina Neues derzeit noch eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Skeptisch steht Martina Neues auch der Kommerzialisierung im Yoga entgegen. Viele wollten beim Yogatrend rausholen, was gehe. Ihr persönlich sei aber an der Energie und Lebensfreude gelegen, die sie mit ihren Yogis teilen wolle. Das Schöne an Yoga sei auch, dass man es immer und überall machen könne. Die Yoga-„Mode“ sei zwar sehr hübsch, aber müsse nicht sein. Sie erklärt: „Eigentlich braucht man nur eine Matte und bequeme Klamotten.“ Dass das bei „Yogaleben“ tatsächlich das Wichtigste ist, sehen wir im letzten Drittel der Yogastunde: Inzwischen absolvieren die Frauen 27 „Sonnengrüße“ in Folge. Das ist nun nicht mehr „Verknoten in Zeitlupe“ , wie Yoga mitunter spöttisch genannt wird - das ist flüssiger, eleganter Leistungssport. Den ganzen Körper trainierend und schweißtreibend. Auch die frischgebackene Mutter Britta schafft das volle Pensum. Auf die Frage, wie sie sich nun fühle, antwortet sie leicht außer Atem, aber mit strahlendem Lächeln: „Stark und erfrischt!“ 

Neben ihrer Yogaschule in Krefeld unterrichtet Martina Neues auch in Kempen. Unter anderem bietet sie in verschiedenen Unternehmen „Managementyoga“ an, um den Führungskräften ein bis zwei Mal die Woche einen Ausgleich zu ihrem stressigen Arbeitsalltag zu verschaffen. Für diejenigen, die Yoga in einer malerischen Umgebung genießen möchten, bietet Martina Neues regelmäßig im Sommer eine ein- bis zweiwöchige Yogareise nach Ibiza an. In schöner mediterraner Landschaft und liebevoll gestaltetem Ambiente mit genügend Rückzugsmöglichkeiten können Yogis ihre Balance wieder entdecken und ihren Körper und Geist stärken. Yoga leben und erleben kann man überall – ob in Indien, Krefeld, Kempen oder am Mittelmeer unter blauem Himmel.

Yogaleben, Willy-Hermes-Dyck 1, 47803 Krefeld, Tel. 02151-564523, www.yogaleben.com