Für die Krefelderin Lisa Evertz stand mit der Geburt ihres elf Jahre jüngeren Bruders, bei der sie mit dabei war, fest: Wenn sie groß ist, möchte sie Hebamme werden, Frauen auf dem wohl einschneidendsten und emotionalsten Weg ihres Lebens begleiten und ihnen das Gefühl von Geborgenheit und Zuversicht schenken. Gerade letzteres fällt derzeit schwer: Mit Beginn der Pandemie änderten sich nicht nur die Rahmenbedingungen der Unterstützung durch die Hebammen, es fielen auch Kurse und soziale Angebote für die (werdenden) Mütter weg.

Vom klassischen Geburtsvorbereitungskurs über Baby-Yoga und Zwergenschwitzen bis hin zu Krabbelgruppen ist die Kurs-Auswahl für schwangere Frauen immens. Diese Kurse dienen längst nicht nur dazu, die Beweglichkeit der Schwangeren vor und auch nach der Geburt zu bewahren, sie haben auch eine wichtige soziale Funktion: „In meinen Kursen lernen sich die Frauen kennen und tauschen sich über ihre Babys und ihre eigene Situation aus“, weiß Lisa Evertz, die pränatale und postnatale Yogakurse für Schwangere anbietet. Die Möglichkeit, soziale Verbindungen zu Frauen in einer gleichen Situation zu knüpfen, ist für viele Schwangere von großer Bedeutung. Nicht selten entstehen aus diesen Begegnungen langjährige Freundschaften. Dieses Angebot fällt seit Beginn der Pandemie allerdings komplett weg: „Viele schwangere Frauen sind komplett isoliert und auf sich allein gestellt“, berichtet Evertz aus ihrer Erfahrung als Hebamme.

Doch auch die Arbeit der Hebammen selbst hat sich im letzten Jahr komplett verändert: „Vorher habe ich mich ab der 12. Schwangerschaftswoche alle sechs bis acht Wochen mit den Schwangeren getroffen. Mit Einsetzen der Corona-Maßnahmen wurden wir dazu angehalten, solche Aktivitäten auf das Nötigste zu beschränken. Die persönlichen Treffen vor der Geburt fallen komplett weg“, so die 30-Jährige. Einzig in einem Zoom-Gespräch vor der Geburt sehen sich die Hebamme und die Gebärende. Aufbauen einer Bindung und eines Vertrauensverhältnisses? Fehlanzeige. „Die Qualität der Betreuung leidet durch die Maßnahmen enorm“, berichtet Lisa Evertz. Nach der Geburt besucht sie die Neu-Mamis zwar zu Hause, aber auch hier gelten Abstandsregeln und Maskenschutz: „Durch die Maske herrscht von vorneherein schon eine gewisse Distanz und man setzt sich auch automatisch etwas weiter auseinander“, weiß Evertz aus ihrem Berufsalltag, in dem sie ungefähr fünf Frauen pro Monat betreut.

„Ich untersuche die Brüste und die Intimzone der Frau, darf sie aber nicht umarmen.“ – Hebamme Lisa Evertz

Es scheint kaum verwunderlich, dass Wochenbettdepressionen immer weiter zunehmen, wie Evertz berichtet: „Letztens war ich bei einer Frau zu Besuch, die vor mir saß und weinte. Eigentlich hätte ich sie am liebsten in den Arm genommen und getröstet, aber das ist zurzeit ja nicht möglich. Irgendwie ist es schon verrückt. Ich untersuche die Brüste und die Intimzone der Frau, darf sie aber nicht umarmen.“ Das, was ihren Beruf ausmacht, den Frauen Geborgenheit zu schenken und für sie da zu sein, kommt aktuell viel zu kurz. Der Hebammenmangel kommt noch hinzu. „Viele Frauen fühlen sich allein gelassen und das kann ich auch vollkommen nachvollziehen, aber wir arbeiten schon alle am Limit“, so die Krefelderin, die neben ihrer Selbstständigkeit auch im Helios Klinikum in Krefeld tätig ist. Bis in den November hinein ist Evertz komplett ausgebucht, Tendenz steigend. Die finanzielle Entlohnung spiegelt das indessen nicht wider: „Gerade wenn man bedenkt, dass mittlerweile ein Studium absolviert werden muss, ist die Bezahlung nicht angemessen“, erklärt die Krefelderin. Kein Wunder, dass die meisten Hebammen ihren Job vor allem aus Idealismus ausüben: „Ich glaube, eine gute Hebamme kann man nur sein, wenn man es aus Liebe macht“, sagt Lisa Evertz mit voller Überzeugung.

Doch diese Liebe zum Beruf ist im letzten Jahr auf eine schwere Probe gestellt worden: weil Hebammen die Mütter auch mal in den Arm nehmen, mitfühlen und nicht zuletzt auch eine hohe Verantwortung für die Mutter und das Baby tragen, aber auch, weil die Regierung diesen wichtigen Beruf bei all ihren Beratungen etwas vergessen hat: „Beim ersten Lockdown standen wir vor großen Problemen. Die Masken müssen wir alle selbst kaufen und auch bei den Impfungen wurden wir lange nicht bedacht“, zählt Evertz auf. Auch in der Praxis fühlte sich die Hebamme allein gelassen: „Eine Frau im Vierfüßlerstand mit Maske begleiten, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit“, so Evertz.

Einzig positiver Aspekt: die Frauen werden im Krankenhaus nicht von Besuchern „überrannt“, sondern haben die Zeit für sich und ihre kleine neue Familie. „Das Wochenbett wird wieder viel mehr wertgeschätzt und viele Frauen haben mir gesagt, wie gut es ihnen tat, erst mal ein paar Tage allein mit ihrem Mann und dem Neugeborenen zu sein.“ Genau diese Momente, wenn Evertz die kleine glückliche neue Familie sieht, sind es, die ihr Herz erfüllen und auf eine bessere Zukunft hoffen lassen: „Ein Teil dieses unbeschreiblichen Glücks zu sein, ist einfach immer wieder wunderschön.“ 

Hebamme Lisa Evertz
Grenzstraße 127
47799 Krefeld
Tel.: 0172-4030445
www.hebamme-lisa.info