Strahlend steht Josie Zibner am Zaun des großen Gartens im ländlichen Traar, klopft auf das Holz und begrüßt „ihre“ Gaby. Es ist Josies Art zu zeigen, dass sie die 66-jährige Ehrenamtliche, Gaby Werner, in ihrem Leben akzeptiert, denn „Hallo sagen“ mit Worten kann sie nicht. Die Vierjährigen leidet am Angelman-Syndrom, die Folge einer seltenen genetischen Veränderung auf dem Chromosom 15. Die Behinderung führt dazu, dass Josie für immer auf dem Entwicklungsstand einer Drei- bis Fünfjährigen bleiben wird. Vor allem ihre Sprache wird sich nie richtig ausbilden, auch ihre Koordination ist der eines Kleinkindes gleich. Weitere Symptome wie Hyperaktivität, Schlafstörungen und Brechreiz begleiten ihren Alltag.

„Viele Menschen verbinden das stups-Kinderzentrum nur mit einem Hospiz“, schildert Ehrenamtskoordinatorin Silke Paschen. „Wir sind aber auch dafür da, Familien zu unterstützen, deren Kinder an einer lebensverkürzenden Krankheit leiden.“ Eigentlich gehört das Angelman-Syndrom nicht dazu, durch die aber häufig mit der Behinderung auftretende Epilepsie, unter der voraussichtlich auch Josie leiden wird, konnte die Familie Zibner beim stups Hilfe suchen. „Erst das Jugendamt hat uns diesen Tipp gegeben“, erinnert sich Josies Mutter Jennifer.

„Mir war nicht klar, dass das stups auch für Familien wie uns Anlaufstelle ist und ich finde es wichtig, dass das auch andere Familien erfahren.“

Familie Zibner ist vor rund eineinhalb Jahren mit der Diagnose ihrer Tochter konfrontiert worden. Schon als Josie zwei Monate alt gewesen war, merkte die Mutter, dass etwas an ihrem Kind nicht stimmte. Erst mit zweieinhalb Jahren aber fand eine Spezialklinik heraus, was dem Mädchen tatsächlich fehlt. Bisher sind nur 600 Fälle des Angelman-Syndroms überhaupt in Deutschland registriert. Als der Arzt Josies Diagnose stellte, zog das Ehepaar also nicht nur das schwere Los, die Behinderung der eigenen Tochter emotional verarbeiten zu müssen, sondern auch das, sich mit einer Symptomatik auseinanderzusetzen, die fast niemand in Deutschland kennt. „Dabei hatten wir dafür eigentlich gar keine Zeit, denn Josie muss ja rund um die Uhr betreut werden“, erklärt Papa Björn Zibner. „Gerade die Anfangszeit war sehr hart. Wir hätten Ruhe gebraucht, um all die Dinge zu begreifen.“

Und genau an dieser Stelle möchte das stups-Kinderzentrum entlasten. Neben Gaby Werner wirken noch weitere 63 Frauen und Männer aus Krefeld zwischen 30 und 80 Jahren als Ehrenamtliche im stups. Das Kinderzentrum nennt die Freiwilligen liebevoll „Fröschkönige“. Einige sind, wie Gaby Werner, ehrenamtliche Familienhelfer, andere unterstützen bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten im Kinderzentrum oder bei der Öffentlichkeitsarbeit. „Gerade unsere Ehrenamtler, die mit Familien arbeiten, werden intern bei uns über ein Jahr ausgebildet“, erklärt Paschen. 100 Theoriestunden und 20 Praxiseinheiten müssen die Freiwilligen absolvieren, um anschließend in einer Familie helfen zu dürfen. Im Vorbereitungskurs geht es vor allem darum, die eigenen Ressourcen und die individuelle Gefühlswelt kennenzulernen. „Die Arbeit mit kranken Kindern berührt und ist nicht immer einfach“, so die Sozialpädagogin weiter. „Die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit spielt da eine große Rolle. Darauf möchten wir vorbereiten.“

Auch Gaby Werner hat diesen Vorbereitungskurs absolviert, obwohl sie viele Themen bereits aus ihrem vorherigen Berufsbild kannte. Als Krankenschwester war sie vor ihrer Rente häufig mit der Sterblichkeit in Berührung gekommen. Wenn sie nun, jeden Mittwochnachmittag, für rund drei Stunden bei Familie Zibner mit Josie Zeit verbringt, denkt sie daran allerdings nicht, denn das Mädchen fesselt die gesamte Energie der 66-Jährigen. Fröhlich und aufgedreht fordert sie die zweifache Oma. „Ihre Gaby“ muss mit aufs Trampolin, sie wird eingeladen, Sandkuchen zu essen, oder mit Odin, dem Therapiehund, zu spielen.

Für Jennifer Zibner sind das die wertvollen Stunden in der Woche, die nur ihr gehören. Häufig verbringt sie diese mit Hausarbeit. Manchmal aber auch geht sie einfach eine Runde spazieren oder holt oben im Schlafzimmer Schlaf nach. Schlaf ist ein wichtiges Thema in der Familie, denn Josie ist auch nachts durch das Fehlen des Schlafhormones Melatonin nicht müde und muss betreut werden. „Björn und ich wechseln uns nachts mit ihrer Betreuung ab“, schildert Jennifer Zibner. „Der Schlafmangel ist bei uns schon chronisch.“

Zukünftig soll auch hier das stups unterstützen. Im Kinderzentrum werden spezielle Gästezimmer für Familien mit Kindern mit lebensverkürzenden Krankheiten angeboten. Das Ehepaar Zibner kann hier gemeinsam mit Josie übernachten, es besteht aber auch die Möglichkeit, Josie hier für eine Nacht zu beherbergen. „Unsere letzte Zeit als Paar ist lange her“, sagt Björn Zibner, den genau wie seine Frau eine bemerkenswert positive Aura umgibt, und ergänzt lachend: „Zwei Mal waren wir seit Josies Geburt zu zweit essen, einmal davon haben wir es noch nicht einmal bis zum Nachtisch geschafft.“

Silke Paschen kennt diese Geschichten. Die Ehrenamtskoordinatorin erlebt sie fast täglich. Dennoch glaubt auch das stups, dass es deutlich mehr Familien in Krefeld und Umgebung begleiten könnte, wenn die Arbeit der DRK-Schwesternschaft Krefeld als Träger des Kinderzentrums besser bekannt wäre. „Aktuell haben wir Familienhelfer in der Pipeline“, beschreibt die Sozialarbeiterin. „Diese sollten wir nutzen. Wir sind da, um zu helfen.“

Sie haben ein Kind im Alter von bis zu 27 Jahren, das an einer lebensverkürzenden Krankheit leidet, und möchten sich über die Angebote des stups Familienzentrums informieren? Oder Sie möchten selbst als Ehrenamtler aktiv werden?

Weitere Informationen finden Sie unter:

www.drk-schwesternschaft-kr.de/stups-kinderzentrum