Die letzten Windböen des Sturmtiefs Sabine wüten noch durch die Stadt, als wir unter zugezogenem Himmel und Regenschauern am alten Fabrikgebäude an der Oberdießemer Straße ankommen. Ungemütlich ist es, doch der Ort unseres nächsten Gesprächs verspricht einen Kontrast zum „usseligen“ Wetter: Wer in die Yogaschule „Herzraum“ möchte, muss erst einmal drei Treppen hinauf. Oben, direkt unter den stählernen Dachbalken des großen Backsteinbaus, hat Daniel de Lorenzo einen Ort der Ruhe und Entspannung geschaffen. Strahlend empfängt der große schlanke Brillenträger mit knallgelber Sweatjacke seine Besucher und bittet hinein in sein liebevoll gestaltetes Reich.

Hier treffen warme Farben auf minimalistischen Industrial-Look. Dank der sorgsam ausgewählten Pflanzen, orangen Yogamatten und violetten Sitzkissen wirkt der sonst schlichte weiße Raum mit schwarzem Steinkachelboden einladend und warm. „Ich hab euch da schon mal zwei Stühle vorbereitet“, sagt Daniel augenzwinkernd und weist auf zwei Sitzkissen, die auf einer Meditationsempore bereitliegen. Erst einmal muss er erklären, wie man richtig darauf Platz nimmt. Er selbst lässt sich geschickt im Schneidersitz nieder. Daniel wirkt, als wäre er selbst Teil seines Raums. Entspannt und zufrieden ruht er auf dem Kissen, lächelt und erzählt. 

Dass der 45-Jährige Essener bis vor einigen Jahren noch als Bankkaufmann tätig war, ist heute nahezu unvorstellbar. „Ich habe mich da nie so richtig hineingefunden und immer mehr gemerkt, dass das nicht wirklich mein Metier ist“, erinnert er sich. „Anfangs habe ich noch versucht, mich anzupassen. Aber irgendwann tauchten bei mir Fragen auf, auf die ich Antworten gesucht habe, klassische Sinnfragen im Grunde. Und dann war Yoga da. Und mit dem Üben kamen Antworten. Es war eine tolle Erkenntnis, herauszufinden, dass sich seit Jahrhunderten und Jahrtausenden schon Menschen mit den gleichen Fragen beschäftigt haben wie ich. Die meisten, die mit Yoga anfangen, tun das aus gesundheitlichen Gründen. Auch das war bei mir der Fall. Ich hatte Übergewicht, dadurch bedingt auch Rücken- und Nackenprobleme. Außerdem hatte ich starke Schuppenflechte, von der mir damals gesagt wurde, sie sei unheilbar. Damit wollte ich mich nicht so einfach zufriedengeben. Also habe ich recherchiert, mich mehr und mehr mit Gesundheitsthemen befasst und in dem Zuge auch eine Gesundheitsberaterausbildung gemacht“, erzählt Daniel weiter. 

Im Anschluss arbeitete der aufgeschlossene Branchenneuling zunächst nebenberuflich als Ernährungs- und Stressmanagement-Berater. Seine zweijährige Yogalehrerausbildung absolvierte der heutige Wahlkrefelder bei Yoga Vidya. „Im Yoga steckt im Grunde alles drin. Du arbeitest an Deiner körperlichen Gesundheit, Flexibilität und Koordinationsfähigkeit. Wenn Du möchtest, geht das Ganze aber noch viel tiefer. Du arbeitest mit Deiner Energie und Deinem Geist. Das bringt mehr Gelassenheit ins Leben“, erläutert er. Yoga bedeutet „Harmonie und Einheit“, aber auch „Verbinden“. So übt man während der Yogakurse bei Daniel vor allem, eine Verbindung zur eigenen Natur herzustellen und dadurch inneren Ausgleich zu finden. Rigoros spirituell sieht er sein Berufsfeld deshalb jedoch nicht. „Wie man an Yoga rangeht, ob man Inhalte zu einem Teil der eigenen Philosophie macht oder man ‚nur‘ entspannte Stunden als Auszeit vom Alltag hier verlebt, überlasse ich jedem selbst. Hier darf man still bei sich bleiben oder auch herzlich laut lachen. Jeder möchte Yoga unterschiedlich praktizieren – darauf stelle ich mich entsprechend ein“, erzählt Daniel, der gemeinsam mit seinem vierköpfigen Team verschiedene Arten von Yoga inklusive eines reinen Männerkurses anbietet. „Leider haben viele ein Bild von Yoga, das ich gerne zurechtrücken möchte. Yoga bedeutet nicht, sich total zu verbiegen oder einen ‚perfekten‘ Körper zu gestalten. Was man in den Medien sieht, sind oftmals Profi-Bewegungskünstler. Das schreckt leider viele ab. Yoga bedeutet für mich, mit dem Körper, den ich jetzt habe – mit meinen persönlichen Grenzen – zu arbeiten“, erklärt er fröhlich. Ihm sei es wichtig, die eigenen Ansprüche und Erwartungen an sich loszulassen – was den meisten besonders schwerfalle in einer Zeit, die von ständigen Vergleichen und dauerndem Wetteifern geprägt ist. Statt Stress, Zwang und ständigen Konkurrenzdenkens leben die Stunden im Herzraum von Individualität, Ruhe und Akzeptanz. Im Grunde sei Yoga ein Gegenentwurf zu unserer heutigen Leistungsgesellschaft, überlegt Daniel. 

Hier hat jemand eine echte Leidenschaft zum Beruf gemacht. Daniels Begeisterung und sein fröhliches Gemüt scheinen beinahe ansteckend zu sein. Wieder zurück auf der Straße, wirkt das eben noch graue Dießem plötzlich wesentlich einladender. _Esther Jansen

Herzraum Yoga Krefeld, Balarama Daniel de Lorenzo, Oberdießemer Straße 26, 47805 Krefeld,
Telefon: 02151 603 4643, Mail: info@herzraum-krefeld.de