Dr. med. Andreas Hachenberg und Physiotherapeut Jan Gröppel über Digitalisierung, Therapieoptimierung und das Fast-Track-Prinzip
Früher oder später benötigen viele von uns Unterstützung beim Erhalt des Muskel- und Knochenapparats. Fehlbelastungen in Alltag und Beruf sowie krankheitsbedingte Gebrechen lassen sich im besten Fall mit Hilfe physiotherapeutischer, im schlimmsten Fall nur noch durch eine operative, Behandlung lindern. Techniken und Möglichkeiten hierfür gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Doch in kaum einem anderen Bereich sind Fortschritt und Optimierung so wichtig wie in der Medizin. Am Dienstag, 2. Juli, erklärten salvea-Innovationsexperte Jan Gröppel und der Chefarzt der orthopädischen Rehabilitation am Ortho-Campus Hüls, Dr. med. Andreas Hachenberg, wo sie Potenziale zur Therapieoptimierung in ihrem Fachbereich sehen – und zum Teil bereits erfolgreich anwenden. Den Rahmen für diesen Themenabend bildete das Netzwerktreffen des moveo-Expertendialogs, organisiert und moderiert von den Gründerinnen Sarah Weber und Sigrid Baum. Die Räumlichkeiten für das Zusammentreffen bot der Krefelder Gesundheitsanbieter salvea am Standort Konrad-Adenauer-Platz, wo sich bei sommerlichen Temperaturen eine interessierte Hörerschaft aus Bewegungs- und Gesundheitsexperten des Niederrheins versammelte.

Nach den einleitenden Worten von salvea-Geschäftsführer Dr. Lothar Heinrich stellte Dr. Hachenberg in einer kurzweiligen und spannenden Präsentation das „Fast Track“-Prinzip am Beispiel der Endoprothetik vor. Die Informationsplattform Wikipedia beschreibt „Fast Track“ treffend als ein innovatives, fächerübergreifendes Behandlungskonzept, das einen schnelleren Genesungsweg ermöglicht. Kernidee dieser Methode ist es, durch die optimale Vorbereitung eines Patienten und bestmögliche Abstimmung der einzelnen Therapiebausteine eine schnellstmögliche Mobilisation und Genesung zu erreichen. Dabei ist die logische Konsequenz eine direkte Verknüpfung des Krankenhaus- und Reha-Aufenthaltes. „Diese beiden Stationen zu trennen, ist nicht mehr für jeden Patienten der beste und schnellste Weg“, erläuterte Andreas Hachenberg, der das Fast Track-Prinzip im Bereich der Arthrose-Behandlung am Orthocampus Hüls etabliert hat. Im Falle einer Arthrose-Erkrankung gebe es zunächst nur zwei Behandlungsmöglichkeiten: In den Anfangsstadien der Verschleißerkrankung sei Physiotherapie, die Wiederaufnahme von körperlicher Aktivität ganz allgemein und die Schmerzbehandlung mit Medikamenten oft ausreichend und führe zu einer Besserung der Beschwerden. In fortgeschrittenen Stadien, wenn diese „konservativen“ Maßnahmen nicht mehr helfen, werde dann aber oft der operative Eingriff erforderlich. 

Fast Track verfolgt das Ziel, auf möglichst schnellem Wege, ganz nach individuellen Möglichkeiten des Patienten, eine langfristige Schmerzfreiheit, Funktionswiederherstellung und somit gesteigerte Lebensqualität des Betroffenen zu erreichen. Der gängige Behandlungsablauf einer Arthrose-Operation sieht einen ca. neun- bis zwölftägigen Krankenhausaufenthalt mit anschließender rund dreiwöchiger Reha vor. Dieser langwierige Prozess könne jedoch an einigen entscheidenden Stellen verkürzt werden. Eine offene Zusammenarbeit und intensive Aufklärung von Patient und Angehörigen seien hierzu erste wichtige Schritte. Sofern schonende Techniken und möglichst geringe Narkosedosierungen eingesetzt würden, sei ein Patient nach der Operation zeitnah wieder bewegungsfähig. Erste kleine Mobilisationsübungen sollten am besten direkt am OP-Tag stattfinden. Der Übergang zwischen postoperativer Erholung und Rehamaßnahmen solle dann bestenfalls nach wenigen Tagen direkt vor Ort passieren. So könne der gesamte Behandlungsablauf auf insgesamt drei bis vier Wochen verkürzt werden. Die Patienten profitieren letztlich davon, denn eine schnellere Genesung bedeutet gleichzeitig weniger Komplikationen – unabhängig vom Alter oder der körperlichen Grundfitness. Wie schnell die Genesung voranschreitet, ist jedoch vom Einzelnen abhängig und nicht genau kalkulierbar – deshalb, so ein abschließender Wunsch des Mediziners, sei ein Umdenken und Aufbrechen der starren Behandlungsvorgaben im Bereich der Operation und Rehabilitation dringend nötig. Eine Umfrage des Journal of Clinical Rheumatology & Musculoskelettal Medicine ergab, dass 98 Prozent der befragten Fast Track-Patienten diesen Behandlungsweg weiterempfehlen würden.

Jan Gröppel, der bei salvea im Bereich Innovation und Digitalisierung tätig ist, setzte mit der Thematik seines Vortrags im Anschluss bei einem wesentlich früheren Stadium, nämlich der Diagnostik, an. Das von salvea und der Softwareentwicklungsfirma „Humotion“ zur Ganganalyse entwickelte Behandlungstool SmartVia ermittelt mit Hilfe eines sensiblen Sensors das Gangmuster des Patienten und liefert so wertvolle Daten für den Befund, die Therapieplanung und -anpassung im Behandlungsverlauf. Hierzu trägt der Patient einen Gürtel mit dem SmartVia-Sensor und läuft eine vorgegebene Strecke im Schritttempo. Nach wenigen Minuten liegen dem Behandler auf diese Weise – neben dem eigenen Eindruck – genaue Angaben zu Schrittlänge und -dauer, Beckenbewegung und Schrittbild vor, die nicht nur ihm, sondern auch dem Patienten selbst einen visuellen Eindruck der Ausgangssituation vermitteln und so den Behandlungsverlauf erleichtern. Die Funktion des Sensors führte Jan Gröppel mit einer Freiwilligen aus der Hörerschaft vor. 

Im Anschluss an beide Wortbeiträge entwickelte sich noch eine rege Diskussions- und Fragerunde, die nach einem Schlusswort der Veranstalterinnen in einen ungezwungenen Ausklang des Abends mündete. Sarah Weber und Sigrid Baum freuen sich, alle Experten und Interessierte zum nächsten Netzwerktreffen bei Hillus Engineering am 1. Oktober begrüßen zu dürfen, wo es um die Relevanz und Funktionsweise des Defibrillators (AED) gehen wird. 

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