Bunte, von Kindern gemalte Bilder säumen den hellen, freundlichen Flur. Einige Türen sind mit selbst gebastelten Schultüten geschmückt, andere stehen offen: Das darf an diesem Ort durchaus als Einladung verstanden werden. Man hat hier immer ein offenes Ohr und ein aufmunterndes Lächeln für den Nächsten. Am anderen Ende des Flures erklingt ausgelassenes Gelächter. Es kommt aus einem Raum, der Kinderaugen bei Betreten sofort aufleuchten lässt: In den Regalen stapeln sich Dutzende von Gesellschaftsspielen, Puzzles und Büchern. An einem Tisch sitzen zwei gut gelaunte Damen und zwei siebenjährige Mädchen und spielen Karten. Auf einem Stuhl daneben liegt ein lustiges Stofftier, eine orangefarbene Kugel mit Armen und Beinen, einem Gesicht und einer bunten Schirmmütze. „Das ist der Chemokasper!“, ruft eines der beiden Mädchen. „Er frisst die bösen Krebszellen auf!“ Im kinderonkologischen Zentrum des Helios Klinikums Krefeld begegnet man dem Krebs mit Mut, Zuversicht – und einem Lachen.

Die wichtigste Nachricht zuerst: Die allermeisten Kinder, die hier mit der niederschmetternden Diagnose „Krebs“ eingeliefert werden, werden geheilt entlassen. Auch dank einer lückenlosen Organisation, Kontrolle und Qualitätssicherung, die nichts dem Zufall überlässt. „Die Therapie ist mittlerweile europaweit standardisiert. Jedes Kind wird exakt gleich behandelt, der Behandlungsfortschritt akribisch dokumentiert“, erklärt Prof. Dr. med. Tim Niehues, Chefarzt des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin. Die Etablierung einheitlicher Qualitätsstandards ist unter anderem die Aufgabe der Gesellschaft für pädiatrische Hämatologie und Onkologie (GPOH) sowie der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). Erst vor kurzem bestätigte sie dem Helios Klinikum mit der Zertifizierung durch OnkoZert als eines von bisher 15 kinderonkologischen Zentren in Deutschland, dass es im Kampf gegen den Krebs zu den bundesweiten Treibern gehört. Die Zeiten, in denen die Pioniere der Krebsforschung ihre Karriere aufs Spiel setzten, weil sie aus tiefer Überzeugung gegen die geltende Lehre verstoßen mussten, sind zum Glück vorbei – und das Ergebnis spricht für sich. „Vor vierzig, fünfzig Jahren lag die Lebenserwartung eines an Blutkrebs (Leukämie) erkrankten Kindes bei ein bis drei Monaten. Heute betragen die Heilungschancen Leukämie circa 80 bis 90 Prozent“, fasst Niehues die eindrucksvollen Errungenschaften der Medizin zusammen. 

Dass der Weg bis zu dieser Heilung enorm strapaziös und entbehrungsreich ist, ist die Kehrseite der Medaille. Krebs verläuft bei Kindern schnell und aggressiv. Hintergrund ist die in jungen Jahren beschleunigte Zellteilung. Aber für die Therapie birgt das Chancen, denn die Zellen sind damit auch emfänglicher für eine Chemotherapie oder Bestrahlung. „Wir haben jährlich rund 40 bis 50 Neuerkrankungen. Die Therapie beginnt ohne Verzögerung in dem Moment, in dem die Kinder bei uns vorstellig werden. Weil die Tumore rapide wachsen, kann man den Behandlungsstart an einem Freitagnachmittag nicht auf den kommenden Montag verschieben“, beschreibt Niehues die gebotene Dringlichkeit. Dass schnell und mit äußerster Härte gegen den Feind im eigenen Körper vorgegangen werden muss, stellt die große Herausforderung sowohl für die betroffenen Kinder als auch für deren Eltern und Geschwister dar. Nebenwirkungen wie Haarausfall, schwere Darminfekte oder enorme Schwächung sind bei den Patienten keine Seltenheit. 

Dazu kommen der psychische und soziale Druck: „Die Intensivbehandlung dauert ein halbes Jahr und verlangt den Betroffenen enorm viel ab, nicht nur emotional. Viele Familien, in denen beide Eltern berufstätig sind, geraten auch in eine finanzielle Notlage“, weiß Niehues. „Und dann sind da die Geschwister, die sich plötzlich vernachlässigt fühlen oder gar glauben, dass sie Mitschuld an der Erkrankung haben“ ergänzt Barbara Stüben, Diplom-Heilpädagogin und Leiterin des psychosozialen Dienstes. Die Seelsorge ist nicht nur ein zusätzlicher Service, sie ist integraler Bestandteil der Therapie. „Ich male und spiele mit den Kindern, um ihnen ihre Ängste zu nehmen. Aber ich spreche auch mit den Familienangehörigen, deren ganzes Leben plötzlich auf den Kopf gestellt ist“, führt sie aus. Die allermeisten nehmen diese Form der Betreuung an. Es geht gar nicht anders.

Die Kinderonkologie, das merkt man schnell, ist mit den anderen Abteilungen eines Krankenhauses nicht zu vergleichen, nicht nur, weil Krebs ganz unterschiedliche Organe und Körperteile betreffen kann, die behandelnden Ärzte demnach echte Allrounder sein müssen. Der heute durch inflationären Gebrauch etwas abgewertete Begriff der „Ganzheitlichkeit“ ist hier wirklich noch angebracht. Sogar sein Abitur kann man in der Kinderonkologie machen, denn die Christophorusschule Krefeld richtet hier auch Schulunterricht aus. Es herrscht eine andere Atmosphäre auf den Gängen, eine größere Vertrautheit unter den Menschen. Kein Wunder: Allein durch die Dauer und Intensität der Therapie entsteht eine enorm enge Bindung zwischen dem Behandlerteam und den Betroffenen. „Eine Therapie dauert inklusive der Nachsorge mehrere Jahre, die mitunter sehr intensiv sind und in denen man viel von sich preisgibt“, beschreibt Stüben diese spezielle Beziehung. „Viele Eltern kommen auch Jahre nach Therapieende noch zu uns, um sich zu bedanken oder auch nur die Erinnerungen an diese Zeit aufzufrischen. Man legt das nicht so einfach ab.“ 

Zum Service des kinderonkologischen Zentrum gehört auch die Villa Sonnenschein, die Angehörigen direkt vor den Toren des Klinikums eine Übernachtungsmöglichkeit bietet. „Viele Menschen kommen aus dem Ruhrgebiet oder vom Niederrhein zu uns. Gerade in den intensiven Phasen der Behandlung müssen sie vor Ort sein“, erläutert Oberärztin Dr. med. Nina Brauer die Funktion des Hauses. „Mit der Villa Sonnenschein finden sie einen Ort, der trotz der Umstände Entspannung und Geborgenheit bietet.“ Die Einrichtung wird vom Förderverein zugunsten krebskranker Kinder betrieben, der sich mit zahlreichen Aktionen einbringt. Das Miteinander, das partnerschaftliche Zusammenwirken ganz unterschiedlicher Menschen zum Wohle des Einzelnen, durch das sich das kinderonkologische Zentrum des Helios Klinikums Krefeld auszeichnet, endet nicht an dessen Toren. Viele Krefelder, seien es Privatleute oder Unternehmen, engagieren sich und tragen dazu bei, dass dies vor allem eines ist: ein Ort des Lebens. _Oliver Nöding

Kinderonkologische und -hämatologische Ambulanz und Tagesklinik
Telefon (02151) 32-2338, www.helios-gesundheit.de