Loch im Zahn? Ab zum Zahnarzt, ein bisschen bohren lassen, Füllung rein, fertig. Die meisten Menschen gehen so mit ihren Beißerchen um. Doch ganz so einfach sind Zahnprobleme nicht zu lösen, sagt Dr. Norbert Rauscher. Der Fischelner Zahnarzt verrät im moveo-Interview, warum die Zähne in einem regelrechten „Dialog mit dem Gesamtorganismus“ stehen – und was man aus diesem für sich ableiten kann.

Herr Dr. Rauscher, Sie verfolgen einen ganzheitlichen medizinischen Ansatz, was genau bedeutet das?
Ein ganzheitlicher medizinischer Ansatz stellt einen Zusammenhang zwischen dem seelischen und dem körperlichen Befinden her und bezieht immer auch eine Wechselwirkung der körperlichen Organe untereinander ein. Der Zahn ist ein Organ, das mit dem ganzen Körper in Verbindung steht. Eine Zahnbehandlung ist quasi ein Dialog mit dem Gesamtorganismus, somit ist auch wichtig, was ich in den Mund hinein bringe; für den Patienten bietet es sich deshalb an, alle Materialien, die langfristig in den Mund hineinkommen, etwa für Zahnfüllungen, auf die Verträglichkeit hin zu testen. Unverträglichkeiten von Metallen oder Kunststoffen können zum Beispiel in einer Speichel- oder Blutprobe nachgewiesen werden.

Welcher Zahn steht mit welchem Organ in einer Wechselwirkung?
Ich nehme mal die Oberkieferzähne als Beispiel: Die Frontzähne korrespondieren mit Blase und Niere, die Eckzähne mit Leber und Galle und die kleinen Backenzähne mit Lunge und Dickdarm. Die großen Backenzähne stehen in einem Zusammenhang mit Milz, Magen und Pankreas und die Weisheitszähne mit Herz und Dünndarm.

Können Sie die Wechselwirkung an einem Fall konkretisieren?
Angenommen, ein Patient hat Schmerzen an einem Eckzahn, der Zahnarzt findet bei seiner Untersuchung aber nichts an dem Zahn. In einem solchen Fall könnte es sein, dass eine Erkrankung von Leber und Galle vorliegt, die sich durch die Schmerzen am Eckzahn bemerkbar machen. Umgekehrt kann zum Beispiel ein entzündeter oder toter großer Backenzahn Magenbeschwerden auslösen. Diese Form der ganzheitlichen medizinischen Betrachtung geht auf Studien des Berliner Arztes Dr. Reinhold Voll zurück, der zwischen 1909 und 1989 gelebt hat.

Das heißt, wenn ein Mensch mit einem Loch im Zahn zu Ihnen kommt, ist es aus Ihrer Sicht nicht damit getan, das Loch einfach zu füllen und fertig.
Nein, denn ein Loch im Zahn kann mehrere Hintergründe haben. Nicht immer sind schlechte Mundhygiene oder Ernährung der einzige Grund. Auch ein saurer Speichel kann für erhöhte Kariesanfälligkeit stehen. Speichel übersäuert zum Beispiel bei zu viel Stress. Dann stellt sich die Frage, wie nehme ich meinem Leben Stress wahr, was muss ich verändern? Und schon bin ich im Seelenleben des Patienten. Das Gleiche gilt für die Entzündung des Zahnfleisches mit Knochenabbau und Zahnlockerung, beziehungsweise Ausfall. Auch hier kann vermindertes Urvertrauen und Angst der Grund sein, das Leben nicht meistern zu können. Der Volksmund sagt nicht umsonst: ,Ich kann mich nicht durchbeißen', ,Ich gehe auf dem Zahnfleisch'.

Die Zähne spiegeln also das seelische Befinden wider?
Ja, durchaus. Wobei ich die Psychologie der Zähne jetzt aber auch nicht überstrapazieren möchte. Dennoch fühle ich viel Wahrheit in dem Ausspruch von Prof. Dr . Wilhelm Balters, der sagt: ,Jedenfalls gibt es kaum einen Fall von (Zahn-) Anomalie, dessen Wurzel nicht im Seelischen liegt'.

Ganzheitlich bedeutet auch immer, sich von dem Mainstream abzuwenden. Als Zahnmediziner sind Sie dann sicher auch kein Fan von Amalgam?
Nein. In Amalgam ist Quecksilber enthalten, die Untere Wasserbehörde stuft Quecksilber bei der Entwässerung als Giftmüll ein, Giftmüll gehört selbstverständlich nicht in den Mund. Befinden sich im Mund zudem nicht nur Amalgam-, sondern auch Goldfüllungen, entwickeln sich die beiden Metalle zu einer ,Mundbatterie', das heißt, sie reagieren miteinander: Das Amalgam als unedles Metall leitet über den Speichel Ione zum edlen Metall, dem Gold, was kleine Stromstöße im Mundraum auslösen und sich durch Zungenbrennenbemerkbar machen kann. Das beeinträchtigt auch die Selbstheilungskräfte der Zähne.

Welches Füllungsmaterial würden Sie denn empfehlen?
Keramik verhält sich am neutralsten im Mund.

Ihr ganzheitlicher medizinischer Ansatz spiegelt sich auch in kostenlosen Vorträgen wider, zu denen Sie alle zwei bis drei Monate in Ihre Praxis einladen. Welche Themen kommen dabei zur Sprache?
Bei den Themen achte ich darauf, dass sie immer einen Mehrwert für unsere Zuhörer haben. Unsere Zuhörer sollen lernen, wie sie daran mitwirken können, die Selbstheilungskräfte ihrer Zähne zu aktivieren. So habe ich zum Beispiel neulich einen Vortrag über das ,Ölziehen' als Säuberungs- und Entgiftungsmethode gehalten, die man ganz einfach im heimischen Badezimmer praktizieren kann: Dabei nimmt man einen Esslöffel ätherisches Öl, zum Beispiel Sesamoder Kokosöl, in den Mund, zieht das Öl mehrere Minuten durch die Zähne und spuckt es wieder aus. Das ist ein natürlicher, gleichzeitig hocheffektiver Weg, um Bakterien abzutöten, besser und günstiger als eine gewöhnliche Mundspülung, die Alkohol enthält und deshalb die Mundflora aus dem Gleichgewicht bringen kann. In dem Buch ,Ölziehkur' von Dr. Bruce Fife kann man sich über diese Methode weiter informieren.

Praxis „Mein Zahn(t)raum“, Dr. Norbert Rauscher und Team, Kölner Straße 582, 47807 Krefeld, Tel.: 02151 – 365 999 7

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