Sie sind eine Art Multitalent des Körpers und doch fristeten sie bislang ein Schattendasein in der allgemeinen Wahrnehmung. Das ändert sich allerdings gerade grundlegend. Wurden die Faszien – besser bekannt als Bindegewebe – lange Zeit gerade einmal für Cellulite verantwortlich gemacht, wird ihnen in Fachkreisen inzwischen eine weitaus größere Funktion zugerechnet. So haben Forscher das Bindegewebe als Übeltäter für Schmerzen im gesamten Bewegungsapparat ausgemacht. Eine weitere Erkenntnis: Gezieltes Training der Faszien kann unter anderem gegen Rückenschmerzen und Knieprobleme helfen. Ein neuer Ansatz für die beiden Volksleiden schlechthin.

„Wir wissen mittlerweile um die Gesamtfunktion des Bindegewebes“ , sagt Jos Beulen, „der ganze Körper spielt eine Rolle.“ Der Krefelder Physiotherapeut behandelt in seinen Praxen zahlreiche Patienten, deren Beschwerden auf ein gestörtes Bindegewebe zurückzuführen sind. Faszien umhüllen als kollagenhaltiges Gewebe jeden Muskel, einzelne Muskelfasern, jede Zelle des Körpers und auch alle Organe. Schon mikroskopischkleine Risse in den Faszien können Schmerzen auslösen – nicht nur im Bewegungsapparat, auch Spannungskopfschmerzen sind möglich. „Dabei sorgen Faszien im Normalfall für Beweglichkeit und Leistungsfähigkeit“ , sagt Beulen. Im Alltag ebenso wie beim Sport. Doch bei Bewegungsmangel, Überlastung und einseitiger Beanspruchung oder Fehlhaltung leiden auch die Faszien. Mit der Folge, dass sie regelrecht verkleben – und da das Gewebe wie Spinnenweben zusammenhängt, verhärten auch benachbarte Muskeln. Wer also das Gewebe elastisch und widerstandsfähig erhält, hat wirkt präventiv gegen vielfältige Beschwerden. Da hält es Jos Beulen mit dem Vater der Osteopathie A.T. Still, den er zitiert: „Leben ist Bewegung – und Bewegung ist Leben.“ Beulen: „Ein ausgedehnter Spaziergang von eineinhalb bis zwei Stunden täglich bringt mehr, als einmal in der Woche eine Stunde intensiv Tennis zu spielen.“ Eine ausgewogene Mischung aus Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und anschließender Entspannung sei dabei am wichtigsten. Yoga und Pilates vereinten genau diese Eigenschaften und seien daher besonders zu empfehlen – stupide Bewegungen wie etwa ausschließliches Geräte-Training eher nicht. Weiche, dynamische Dehnübungen stehen im Vordergrund, weil Faszien hauptsächlich auf Dehnungsreize reagieren. Auf diese Weise werden die Faszien geschmeidig gehalten und  nehmen so der Muskulatur viel Belastung ab. Kurzum: Wer sich vielseitig und regelmäßig bewegt, fühlt sich beweglicher, gelenkiger und darüber  hinaus auch ausgeglichener. „Denn auch Stress und innere Unausgeglichenheit üben sich negativ auf die Faszien aus“ , sagt Beulen. Andrew Taylor Still, der Begründer der Osteopathie, hat es so beschrieben: „Die Seele des Menschen mit all ihren Strömen puren Lebenssaftes scheint in den Faszien des Körpers zu fließen.“ Emotionaler und Sozialer Stress beeinflusst die Beschaffenheit der Faszien. Beulen: „Wir haben es dann mit einem ganzheitlichen sozialen Symptomenkomplex zu tun.“ 

Neun von zehn Patienten, die in seine Praxis kommen, haben Schmerzen, klar definierte Funktionsprobleme. „Da defekte Faszien auch durch modernste Bilddiagnostik nicht sichtbar gemacht werden können, führen wir bei den Patienten zunächst funktionelle Tests durch“ , erklärgt Experte Beulen. „Doch die allein reichen für eine Diagnose nicht aus. Da braucht es schon einen erfahrenen Therapeuten.“ Katrin Grychta und Joe Teubert bringen dieses Potenzial mit: Grychta ist Physio- und Manualtherapeutin sowie Osteopathin, Teubert ist Physio-, Manual- und Sportphysiotherapeut. Gemeinsam mit Jos Beulen haben sie eine Zusatzausbildung in Faszientechnik absolviert. „Wir machen mit den Patienten Ganzkörper-Übungen“ , sagt Teubert. „Denn unser Körper ist ein Kettensystem. Schmerzen im Knie bleiben nicht dort, sondern wirken sich auf Dauer beispielsweise auch auf die Hüfte aus.“ Grychta spricht den „Maus“-Arm an: „Durch das dauerhafte Arbeiten am PC und die einseitige Bewegung des Arms kommt es zu einer Überlastung. Und die wirkt sich schnell auch auf den Nacken- und Schulterbereich aus.“ Daher lohne es sich immer, die Ursachen der Beschwerden bei den Faszien zu suchen. Verklebungen des Gewebes können Osteopathen gut lösen, Manualtherapien wirken in der Tiefe, regen dort den Stoffwechsel an und führen außerdem zur Ausschüttung entzündungshemmender Botenstoffe. Mithilfe einer so genannten Faszien-Rolle könne ein entsprechendes Training auch zu Hause durchgeführt werden, wie die beide Therapeuten erläutern. Die spezielle Massagerolle presst das verhärtete, schmerzhafte fasziale Gewebe quasi wie ein Schwamm aus und regt so den Stoffwechsel an. „Bei Knieproblemen etwa legt man die Rolle seitlich liegend unter das Bein und rollt vom Knie bis zur Hüfte immer auf und ab.“ Wichtig sei, die Übungen regelmäßig zu machen. Dann genügten schon zehn Minuten zwei- bis dreimal in der Woche. Gerade am Anfang könnten die Übungen allerdings schon schmerzhaft sein. Auch der ein oder andere blaue Fleck oder auch Muskelkater seien dann möglich. „Aber die Übungen sind sehr wirkungsvoll und am Ende auch positiv“ , sagt Grychta. 

Da das Fasziennetz den ganzen Körper durchdringt, lassen sich auf diese Weise die häufigsten Beschwerden des Bewegungsapparates wirksam und dauerhaft beseitigen, allen voran Rückenbeschwerden, Verspannungskopfschmerzen und Knieprobleme. „Sicherlich könnten so – natürlich immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt –  auch einige Operationen vermieden werden“ , sagt Beulen.Grund genug, die Faszien aus ihrem Schattendasein zu entheben.

Beulen Physiotherapie, Am Badezentrum 9, 47800 Krefeld, Tel. 02151/6444111