Es pfeift, klingelt, klopft oder dröhnt im Ohr – oder alles gleichzeitig. „Ich hatte einen Kunden, der hörte permanent ein ganzes Symphonieorchester,“ berichtet Andrea von der Warth, Hörcenter-Leiterin bei Hörgeräte Neuroth in der Krefelder Innenstadt. Dieser Kunde litt unter der ständigen Beschallung, sagt die Hörgeräteakustikmeisterin: „Er hatte Schlafstörungen und konnte sich tagsüber bei der Arbeit kaum konzentrieren. Er war reizbar, nervös und sehr unglücklich darüber.“ So geht es vielen der etwa elf Millionen Menschen in Deutschland, die von Tinnitus betroffen sind. 

Vor 15 Jahren hat sich Andrea von der Warth zur Tinnitus-Retrainerin fortbilden lassen; das Ohrensausen ist ihr Spezialgebiet. Tinnitus ist keine Krankheit im eigentlichen Sinne, sondern ein Symptom  – wie Schmerzen. Wichtig, aber nicht immer einfach, ist es, die Ursache und den Entstehungsort der Beschwerden zu finden. Tinnitus kann im Mittelohr entstehen, wenn es nicht mehr richtig belüftet wird und dadurch der Druckausgleich fehlt. Oder durch eine verschleppte Mittelohrentzündung. Im Innenohr hingegen kann der Tinnitus nach einem Knalltrauma oder einem Hörsturz auftreten – ein typisches Krankheitsbild bei Stress und Überlastung. Hinter einem akuten Tinnitus kann aber auch eine Tumorerkrankung stecken, Bluthochdruck, Arterienverkalkung, Erkrankungen der Halswirbelsäule oder eine Entzündung im Kieferbereich. Wird eine solche Ursache ermittelt, kann entsprechend therapiert werden. Doch manchmal verstummen die Ohrgeräusche nicht mehr – ohne feststellbare Ursache. Ab sechs Monaten gilt Tinnitus als chronisch. „Kompensiert“ heißt er, wenn der Betroffene nicht darunter leidet, und „dekompensiert“ , wenn er sich wie Andrea von der Warths Kunde von dem „Orchester in seinem Kopf“ regelrecht gefoltert fühlt. Solchen Patienten bietet die 44-jährige Fachfrau bei Neuroth die Retraining-Therapie an. Andrea von der Warth „coacht“ vor allem, sagt sie: mit aufklärender  Beratung, Anleitungen zu erleichternden Maßnahmen wie Qi Gong und Sport, und mit einer speziellen Hörtherapie. Diese stellt das eigentliche „Retraining“ dar: Sie hilft, die Wahrnehmung der Tinnitusgeräusche nach und nach in das Unterbewusste oder kaum mehr Wahrgenommene zu verschieben. 

Sehr hilfreich dabei ist ein kleines Gerät, das aussieht wie ein Hörgerät und auch so getragen wird, aber nicht die Schallwellen von außen verstärkt, sondern ein eigenes, nur ganz leicht wahrnehmbares Gegengeräusch zu den Tinnitus-Klängen im Kopf abgibt. Die Retrainerin beschreibt: „Man kann wählen zwischen mehreren Geräuschen, aber immer ist es ein sanftes Rauschen, wie von Wasser oder Luft. Es wird als angenehm empfunden, der Träger gewöhnt sich daran und lernt so langsam auch, mit dem anderen, dem Tinnitus-Geräusch, zu leben.“

Die „Tinnitus-Noiser“ genannten Geräte gibt es sowohl für gut hörende als auch für schwerhörige Patienten. Wie den Mann mit dem Orchester im Ohr, der nach der individuellen Anpassung seines Noisers wieder gut hört und auch seinen Tinnitus kaum noch spürt. Geduld müsse man aber mitbringen, betont Andrea von der Warth, das Retraining sei meist eine Langzeittherapie. Aber das lohne sich, sagt die Tinnitus-Retrainerin, und fügt hinzu: „Man kann chronischen Tinnitus nicht ,heilen’, aber man kann sich dagegen unempfindlich machen!“

Neuroth Hörcenter, Rheinstraße 95, 47798 Krefeld-City; Tel.: 02151/360 44 64 www.neuroth.de