Goldbraunes Fell, hellblonde Mähnen, stattlich, aber nicht bedrohlich groß – schon auf den ersten Blick sind Renaldo und Elmo eine Augenweide. Gemessenen Schrittes kommen die beiden Halflinger-Wallache auf ihrer Koppel im Krefelder Norden näher. Sie bleiben etwa einen Meter vor mir stehen und scheinen höflich abzuwarten, wie ich sie begrüße. Als ich meine Hand auf Elmos Nase oberhalb der Nüstern lege, rät mir seine und Renaldos Besitzerin Beatrix Schmidhofer: „Lieber von unten, damit er sie erst mal schnuppern kann.“ Und tatsächlich, Elmo zuckt nicht und dreht auch nicht den Kopf weg, wie ich es von Pferden sonst kenne, sondern atmet ein paar Mal in meine Handfläche, sodass ich mich sogar traue, näher heranzutreten, um ihm den Hals zu tätscheln. 

Beide, Elmo und Renaldo, wirken interessiert, kontaktfreudig und sehr gelassen; es scheint fast, als würden sie lächeln. Renaldo überrascht mich damit, dass er mit seinen Lippen zuerst meinen Block und dann meinen Rock untersucht – spätestens jetzt haben die Vierbeiner mein Herz erobert. Derweil flüstert Beatrix Schmidhofer den beiden mehrmals zu: „Ihr seid ganz feine, liebe Pferde, ganz feine.“ Und beschreibt dann, wieder im normalen Tonfall, ihr Verhältnis zu den beiden: „Wir haben absolutes Vertrauen zueinander . Renaldo habe ich seit 13 Jahren, Elmo seit anderthalb. Die beiden sind wie Brüder. Und ich bin quasi die Leitstute.“ 

Die beiden Wallache und ihre Besitzerin bilden nicht nur eine „Herde“ – sie sind auch „Kollegen“ . Denn Beatrix Schmiedhofer arbeitet als Psychotherapeutin, und ihre Spezialität ist die sogenannte körperorientierte Reittherapie. Erwachsene, Jugendliche und Kinder ab zwei Jahren behandelt sie mit der „heilsamen Kommunikation mit dem Pferd“ . Es ist ein breitgefächertes Spektrum von seelischen und sozialen Problemen, mit dem ihre Patienten zu ihr kommen. Erwachsenen bietet sie Supervision; bei ihnen sind es vor allem Burnout, Ängste, Bindungs- und Trennungsprobleme. Kinder und Jugendliche kommen ebenfalls mit Ängsten, Beziehungskonflikten, aber auch ADHS/ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) und Autismus. Bei ihnen allen wirkt, was auch ich bei meiner ersten Begegnung mit Renaldo und Elmo gespürt habe: Eine starke emotionale Anziehung, die von diesen schönen, freundlichen und aufgeschlossenen Tieren ausgeht. Beatrix Schmiedhofer erläutert: „Fast jeder mag Pferde. Sie sind imposant, aber zugleich ganz sanfte Pflanzenfresser – und vorsichtige Fluchttiere, an die man nur herankommt, wenn man ihr Vertrauen gewinnt.“ 

Vertrauen ist ein zentraler Begriff in Beatrix Schmiedhofers Arbeit. Da ist zunächst das Vertrauen, das die Patienten - und bei Kindern natürlich auch deren Eltern – zu Beatrix Schmiedhofer haben müssen, um sich auf ihre besondere Behandlung einzulassen. Die Therapeutin, die auch ausgebildete Sozialarbeiterin und Heilpraktikerin ist, betont: „Gerade Kindern gegenüber ist es ganz wichtig, dass ich sie nie zu etwas zwinge oder Druck ausübe. Ich arbeite auch nicht mit irgendwelchen Tricks. Ich mache nur Angebote.“  Zum Beispiel, das Pferd so zu begrüßen, wie sie es macht, und so Kontakt zu ihm aufzunehmen. Über kurz oder lang möchte das jeder, weil ihn – genau wie mich – die Tiere mit ihrem fellig-freundlichen Aussehen, ihrem abwartenden Verhalten, dem warmen, sauberen Tiergeruch und dem charmanten Schnauben und Wiehern einfach anziehen. Das passiert wie von selbst: ein ganzheitliches, unmittelbares Phänomen, auf das Beatrix Schmiedhofer seit 14 Jahren als Reittherapeutin vertraut. Ebenso wie auf ihre Beobachtungsgabe. Zwar ist der wirksame Mechanismus in der Therapie eigentlich immer der Gleiche: Kontakt herstellen und sich entwickeln lassen, so dass ein stabiles gegenseitiges Vertrauen entsteht. Doch jede Therapie verläuft anders, angepasst an den jeweiligen Patienten, dessen Tempo, Wünsche und Bedürfnisse. Beatrix Schmiedhofer beobachtet ihre Schützlinge während der Therapiestunde unauffällig, aber permanent. Und entscheidet dann jeweils individuell, was ihrem Patienten guttut und ihn weiterbringt.  Das kann Streicheln sein, Führen an der Leine, Putzen und meistens auch Reiten. Beatrix Schmiedhofer lacht: „Zumindest mal rauf aufs Pferd wollen irgendwann alle. Und das merken sie, dass das Pferd sie bereitwillig trägt.“ 

Damit das Vertrauen dafür wachsen kann, führt Beatrix Schmiedhofer ihren Patienten beispielsweise vor, wie sie gehen müssen, damit das Pferd ihnen freiwillig und locker folgt, oder wie sie es allein mit ihrer Körpersprache dazu bringen können, anzuhalten. So lernen sie, dass das Pferd auf sie achtet, wenn sie auch auf das Pferd achten. Sie können selbst einfache, aber sehr wirksame Handlungen ausführen. Diese Wirkung gibt ihnen Selbstvertrauen und zeigt ihnen: Wenn sie gewisse Regeln beherzigen und Respekt vor dem Pferd zeigen, verhält sich das Pferd freundlich und kooperativ. Dieses Vertrauen könnte man auch in langen Therapiestunden mit häufig wiederholten, ausgeklügelten Übungen erreichen. Beatrix Schmiedhofer erklärt: „Aber hier bekommen die Kinder und auch Erwachsene vom Pferd direkt die Rückmeldung, unverfälscht. Das Vertrauen entsteht über die tatsächliche, körperliche Erfahrung, dass es wichtig ist, achtsam und liebevoll zu sein. Sich selbst und anderen gegenüber.“ 

Voraussetzung dafür ist, dass Beatrix Schmiedhofer auch ihren Pferden gegenüber komplett auf Druck verzichtet. Wie in der gewaltfreien Variante des Westernreitens oder bei der sogenannten Freiheitsdressur leitet die seit vier Jahrzehnten im Reiten erfahrene 60-Jährige ihre feinfühligen Tiere nur über subtile körpersprachliche Signale an. Sie nutzt den Umstand, dass in einer Pferdeherde immer eine klare Hierarchie herrscht, die durch die Position und räumliche Signale kommuniziert wird. Die Therapeutin nennt Beispiele: „Wenn ich wie ein Leittier vor meinen Pferden vorauslaufe, dann folgen sie mir. Halte ich an und kippe mein Becken nach vorne, bleiben sie auch stehen. Oder beim Reiten: Mit einer leichten Öffnung des Beckens in eine Richtung oder mit einem zur Seite geneigten Blick weiß mein Pferd, wohin es gehen soll.“ Meist reitet Beatrix Schmiedhofer ohne Sattel, und wenn sie doch einen benutzt, dann einen Westernsattel, weil dort das Gewicht für das Pferd besser verteilt wird. Als Zaumzeug reicht ihr ein Knotenhalfter, und mit einem Trensengebiss müssen sich Elmo und Renaldo nie herumärgern. Beatrix Schmiedhofer hält sie im wahrsten Sinne „an der langen Leine“ . Und so wirken die beiden nicht wie „Gebrauchstiere“ zum Reiten, sondern eher wie ihre „Co-Therapeuten“ oder sogar – Freunde.

Beatrix Schmiedhofer, Alte Kemmerhofstr. 73, 47802 Krefeld-Traar, Tel.: 02151 657530, mobil: 0177 4163959 www.beatrix-schmiedhofer.de; www.psychotherapie-koerperorientiert.de