Der Kochschinken aus der Supermarkt-Packung hat eine perfekte kreisrunde Form und eine makellose Farbe. Ich habe ein Ensemble aus Industrie-Schinken und Fabrik-Brötchen zubereitet: Optisch in Ordnung, geschmacklich tendiert das allerdings Richtung Presspappe und die Tennisball-Konsistenz, der angeblichen Brötchen, überzeugt meine Geschmacksnerven leider auch nicht. Wenn ich mir vorstelle, dass für derlei Wurstwaren Schweine, Rinder oder Hühner oft zweifelhaft gehalten und nicht selten quer durch die Republik transportiert werden, dann meldet sich erstens mein schlechtes Gewissen, zweitens das Umweltbewusstsein und drittens die Überzeugung, dass das alles auch anderes gehen muss. Und es geht anders. Das zeigt das Beispiel des Stautenhofs in  WillichAnrath: „Wir haben 1997 auf ökologischen Landbau umgestellt“ , erinnert sich Christoph Leiders, Betriebsleiter des Biohofs. „Wir haben damals gemerkt, wenn wir als Hof weiter existieren wollen, dann müssen wir einen anderen Weg gehen“ , so Leiders weiter. Mit dem Gedanken einfach nur Masse zu produzieren, konnten sich Beate und Christoph Leiders, die den Hof gemeinschaftlich leiten, nicht anfreunden. Deshalb folgte das Ehepaar seiner ökologischen Überzeugung und investierte kontinuierlich Zeit und Geld in ihren Biohof. Ein  Direktverkauf ihres Biofleischs an regionale Metzger oder Großküchen gestaltete sich schwierig: „Aber daraus ist die Idee der eigenen Vermarktung entstanden; im Prinzip aus der Not heraus“, erläutert Leiders. Eine gute Idee, wie sich zeigt, denn der eigene Hofladen boomt. Die Produkte, die die Leiders im eigenen Hofladen verkaufen, stammen mittlerweile zu 95 Prozent aus der eigenen Herstellung und das wissen die Kunden zu schätzen.

Das Aushängeschild des Stautenhofs ist der geschlossene Kreislauf in der Bio-Fleisch- und Wurstproduktion. Das Schweinefleisch stammt komplett aus eigener Erzeugung. Die Leiders halten 50 Sauen und mästen zirka 1000 Ferkel im Jahr bis zur Schlachtreife; der Transport der Tiere entfällt, da alle Tiere in der betriebseigenen Metzgerei geschlachtet und verarbeitet werden. Das Tierwohl spielt eine große Rolle auf dem Stautenhof: „Sauen und Ferkel bleiben sieben Wochen lang als Gruppe zusammen bevor es in die Mast geht“,  unterstreicht der BioBauer, während er mich in den Schweinestall führt. Die Mutterschweine begrüßen mich mit einem freundlichen Grunzen. 250 Kilogramm bringe so ein Tier auf die Waage, ein Eber noch mal mehr, informiert mich der Fachmann und öffnet eine mit Stroh ausgelegte Box, in der unter einer Wärmelampe ein frischer Wurf Ferkel quiekt. Ich darf sie mal streicheln: Putzig, kleine rosarote Baby-Schweinchen. Ich überlege kurz doch lieber Vegetarier zu  werden. „Zu wissen wo die Tiere herkommen und wie sie gehalten werden, ist für unsere Kunden ganz wichtig“, erläutert der Betriebsleiter.

Auch bei der Geflügelhaltung wird der Gedanke einer tiergerechten Haltung konsequent umgesetzt. So werden die 2000 Stautenhofer Weidehähnchen, die für die Schlachtung bestimmt sind, und die 1350 Legehennen in mobilen Ställen gehalten, die ihnen reichlich Auslauf auf dem Grünland des Hofes geben: „Das ist eine sehr gesunde Form der Haltung“, verdeutlicht Christoph Leiders, „unsere Hühner wandern alles zwei Wochen immer auf ein sauberes Stück Wiese. Das ist hygienisch, die Tiere sind sehr robust und nicht krankheitsanfällig.“ Neben der Tierhaltung spielt auch der ökologische Ackerbau auf dem Stautenhof eine große Rolle. Auf einer Fläche von 47 Hektar werden Kartoffeln, Getreide, Mais, Kleegrass und Ackerbohnen angebaut. Die Kartoffeln werden im Hofladen verkauft und aus den anderen Produkten mischen die Mitarbeiter schmackhaftes Schweinefutter. Auch hier stimmt der Kreislauf. Zum Biohofladen des Stautenhofs gehört mittlerweile eine Metzgerei, eine Käsetheke, ein Obst- und Gemüsebereich und die neue Bäckerei: „Seit Dezember backen wir hier“, erzählt Leiders stolz, „sämtliche Brotsorten und Backwaren, die wir hier anbieten sind im Holzofen gebacken. Das ergibt ein ganz besonderes Aroma“, verspricht der 47-jährige Vollblut-Biobauer. Besonderer Clou an der Holzbackofen-Anlage: Die Abwärme des Ofens wird genutzt, um damit den Schweinestall zu heizen. Der Betrieb bezieht seine Energie außerdem über eine Photovoltaikanlage  und eine Wärmerückgewinnungsanlage führt die Energie aus den Kühlhäusern zurück. Auf dem Stautenhof greift eben ein Rädchen ins andere – und zwar immer ökologisch gut durchdacht. Für sein gesamtbetriebliches Konzept erhielt der Stautenhof im Januar vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft den „Förderpreis Ökologischer Landbau 2014“. Der geschlossene Kreislauf aus Aufzucht, Schlachtung und Direktvermarktung seiner Tiere, brachte dem Stautenhof den ersten Platz in der Wertung ein und ist damit der erste NRWBetreib, der in dieser Kategorie ausgezeichnet werden konnte. Besonders positiv bewertete die Jury darüber hinaus  den fairen und respektvollen Umgang mit den fast 50 Mitarbeitern: „Das war ganz toll“, schwärmt Christoph Leiders, „für uns, für unsere Mitarbeiter, aber auch für unsere Kunden. Das ist eine Bestätigung dafür, das das hier etwas Besonderes ist“, freut sich der Betriebsleiter. Die Kunden des Stautenhofs kommen längst nicht mehr nur aus der Nachbarschaft, sondern auch aus Krefeld, Mönchengladbach, Heinsberg oder Düsseldorf. Sie kommen nach Willich-Anrath, weil sie wissen, wo die Tiere des Stautenhofs herkommen – nämlich von hier. Und sie wissen, wie die Tiere auf dem Stautenhof gehalten werden – nämlich würdevoll. Der Kochschinken aus der Stautenhof-Metzgerei hat im Übrigen keine perfekte Kreisform, dafür aber einen feinen, zarten und aromatischen Geschmack. Und die Brötchen aus dem Holzbackofen sind knusprig und frisch. Mit gutem Gewissen habe ich alles verputzt.  Zugegeben: An die kleinen, rosa Ferkelchen habe ich dabei auch noch denken müssen.

Stautenhof, Darderhöfe 1A, 47877 Willich, Tel. 02156 911553, weitere Infos unter www.stautenhof.de