Es ist der 26. März 1991, der Ort die mit 6.000 Zuschauern restlos ausverkaufte Rheinlandhalle. Vertraut man seinem Gespür und betrachtet die Schulter an Schulter, Reihe für Reihe stehenden schwarz-gelb gekleideten Unterstützer, dann darf man davon ausgehen, dass die inoffizielle Zahl noch deutlich höher liegt. Die kalte Luft, die vom Eis aus in den Zuschauerraum wabert, wird vom Duftcocktail aus abgestandenem Bier, Schweiß und Zigarettenrauch ähnlich schnell wieder aufgelöst, wie die Hartgummischeibe unten von Schläger zu Schläger flitzt. Die Stimmung im Stadion ist ausgelassen, denn auf dem Eis laufen die letzten Sekunden des dritten und entscheidenden Relegationsspiels zwischen dem Krefelder EV und PEV Weißwasser in der 2. Bundesliga. Der KEV führt zu diesem Zeitpunkt bereits 6:1. Mit dem letzten Umschlag der Spieluhr ist es geschafft: Ein kollektiver Aufschrei gellt durch die Halle, als die KEV-Spieler von der Spielerbank aufs Eis stürzen und den Aufstieg in die erste Eishockey-Bundesliga feiern.

Mitten in der Traube jubelnder Aufstiegshelden befindet sich auch der damals 24-jährige Dirk Kuhnekath, Vater des heutigen Krefeld Pinguine Stürmers Philipp Kuhnekath. „Leute, die sowohl meinen Vater als auch mich auf dem Eis beobachtet haben, sagen mir, dass wir eine Menge Gemeinsamkeiten haben“, sagt Philipp, der nach zwei Jahren in Dresden in die Seidenstadt zurückkehrt. „Er behauptet zwar immer, das stimme nicht, aber ich denke schon, dass wir einen ähnlichen Lauf- und Spielstil haben. Zumal wir ja ungefähr die gleiche Statur teilen,“ stellt der 25-Jährige lächelnd fest. Man merkt, dass er sehr gut mit den Parallelen zu seinem ersten großen Vorbild leben kann.

 

In höchsten Tönen spricht er von den Errungenschaften seines Vaters und seines Onkels, Ulrik Kuhnekath, der als junger Ersatz-Torwart ebenfalls ein Teil der Aufstiegsmannschaft von 1991 war. Durch seine familiäre Vorbelastung stand also früh fest, dass Philipp nicht ohne Schlittschuhe an den Füßen durchs Leben kommen würde. Gezwungen sah er sich jedoch niemals: „Die ersten Schritte habe ich tatsächlich mit meinem Onkel gemacht. Ich habe schnell Spaß daran gefunden und bin wie viele Krefelder Eishockeyspieler bei Peter Kaczmarek in der Laufschule gelandet.“ Nachdem „Kuhne“ dort die Grundlagen des Eishockeys vermittelt wurden, kam er auch nicht umhin, seinen Vater an der eigenen Trainerbank zu sehen. „Wir konnten das aber immer gut trennen. In der Halle war er Trainer, zu Hause Vater, bei dem ich mir Ratschläge abholen konnte, wenn es mal nicht lief“, blickt Kuhnekath auf die Zeit im Nachwuchs zurück.

Eine Zeit, die seinen Lebensmittelpunkt und Freundeskreis bis heute in Krefeld verankert. Freundschaften aus dem Nachwuchs des KEV 81 seien auch nach vielen Jahren geblieben: „Mit Buschi (Erik Buschmann) hatte ich auch Kontakt, als er nicht hier spielte. Ansonsten sind viele Freundschaften geblieben, auch mit Jungs, die nicht mehr professionell spielen. Wir treffen uns immer noch regelmäßig und tauschen uns beim Tennisspielen oder gemeinsamen Mittagessen aus.“ Für die Kontrahenten auf dem Court ist Kuhne nach eigener Einschätzung ein beliebter Gegner. „Wenn ich mich mit Daniel Pietta oder Alex Trivellato vergleiche, dann kann ich die Jungs meistens nur ärgern. Häufig gibt es aber eher eine Lehrstunde für mich“, gesteht der Flügelstürmer mit einem Lachen. Zur Erholung eignet sich aus Kuhnekaths Sicht der Stadtwald am besten. Dort könne er spazieren gehen und sich sammeln, um einen klaren Kopf für seinen Sport und sein BWL-Masterstudium, das er per Fernstudium absolviert, zu behalten.

Experten beschreiben Kuhnekath als sehr intelligenten Spieler und Kämpfertypen. Eigenschaften, die ihm insbesondere im März, wenn in der DEL2 die Playoffs beginnen, zugutekommen. Doch der Weg bis in Endrunde, wo Kuhnekath, wie einst sein Vater mit dem KEV um den Aufstieg in die höchste Spielklasse spielen wird, ist lang. Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, dass er dort beginnt, wo sein Vater vor ihm Spuren hinterlassen hat. Denn das erste Vorbereitungsspiel findet am 12. August in der Rheinlandhalle gegen die Löwen Frankfurt statt. „Das ist eine coole Sache für das erste Spiel. Viele Fans wünschen sich Heimspiele an diesem Ort, weil sie sich noch an die gute Stimmung und historischen Spiele dort erinnern.“

Wohin die Saison Kuhnekath und die Pinguine letztlich trägt, ist ungewiss. „Wir wollen uns bestmöglich vorbereiten und oben mitspielen. Wir haben ein Ziel, wissen aber, dass wir dafür in jedem Spiel kämpfen müssen.“ Den Wunsch und die Hoffnung, wieder in die DEL aufzusteigen, teilt Kuhnekath mit den KEV-Fans. Sie sind wie 1991 in der ganzen Stadt zu spüren. Vieles hat sich seitdem verändert. Sollte es wie damals zu einem Entscheidungsspiel in Krefeld kommen, ist lediglich gewiss, dass die Luft in der Arena dank moderner Belüftungssysteme nicht mehr aus abgestandenem Bier, Schweiß und Zigarettenrauch besteht. Nur die kalte Luft des Eises ist geblieben.