Die Zukunft der minimalinvasiven Chirurgie hört auf den Namen DaVinci. Der sogenannte Telemanipulator besteht aus einer Steuereinheit, mit der der Operateur gleichzeitig drei Instrumentenarme sowie eine Kamera bedient, die ihm direkten Einblick in das Operationsfeld bietet, und dem „Wagen“ mit den Instrumenten, der am Patienten angedockt ist. Die High-End-Technik garantiert hohe Präzision, optimale Sicht und eine möglichst geringe Belastung für den Patienten – beste Voraussetzungen für eine gute Genesung. Im Helios Klinikum operieren vier verschiedene Fachrichtungen mit dem DaVinci: Viszeralchirurgie, Urologie, Gynäkologie und Thoraxchirurgie. Eine Vielfalt, die am mittleren Niederrhein ein absolutes Unikum darstellt. 

Urologie: Individuelle Krebstherapie

„Vielfalt“ ist das Stichwort. So glücklich Dr. Prof. Dr. med. Martin Friedrich, Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurologie, darüber ist, sein Instrumentarium um eine bedeutende Facette erweitern zu können ist er weit entfernt davon, im DaVinci ein Allheilmittel zu sehen: „Die moderne Onkologie setzt sich immer aus mehreren Bausteinen zusammen. Je breiter eine Klinik aufgestellt ist, je differenzierter und umfassender ihr Leistungsspektrum, sowohl hinsichtlich des Personals als auch der Hardware, umso größer sind die Erfolgsaussichten. Wir sind heute so weit, dass wir die Therapie nicht mehr nur an der Krebsart ausrichten, sondern tatsächlich am individuellen Tumor. Das ermöglicht uns ein viel zielgerichteteres Vorgehen und die genaue Ermittlung der exakt passenden Behandlung“, beschreibt der Chefarzt den Fortschritt. „Und der DaVinci ist ein weiterer Baustein in unserem Repertoire, ähnlich wie Hormontherapie, Bestrahlung und Chemotherapie.“

Der DaVinci kommt unter anderem bei der Entfernung des Prostatakarzinoms zum Einsatz. Wird der Tumor rechtzeitig erkannt, ist die roboterassistierte minimalinvasive Entfernung der Prostata für den Patienten die mit Abstand schonendste Methode: Er darf oft schon am Tag nach dem Eingriff nach Hause. Hat das Karzinom hingegen bereits auf das umliegende Gewebe übergegriffen, bevorzugt Friedrich immer noch die klassische offene OP: „Es ist sehr hilfreich, das Gewebe mit den Fingern zu ertasten, um festzustellen, wie weit der Tumor schon vorgedrungen ist. Außerdem ist es bei komplizierten Eingriffen mitunter notwendig, einen individuelleren Weg einzuschlagen, was innerhalb der stark standardisiert ablaufenden DaVinci-Operationen nur bedingt möglich ist.“ Keinen Zweifel lässt er hingegen an der Bedeutung der neuen Technik für die Behandlung von Nierenfellkarzinomen: „Bei der klassischen Operation wird ein langer Bauch- oder Flankenschnitt gesetzt, der auch mit größeren Wundschmerzen und einer längeren Heilungszeit verbunden ist. Die Vorteile, die ein minimalinvasiver Eingriff mit dem DaVinci demgegenüber bringt, sind immens, mehr noch als bei anderen Eingriffen“, berichtet der Chefarzt der Urologie.

 

Viszeralchirurgie: Die Tücke liegt im Detail

Auch Darmkrebspatienten profitieren im Helios Klinikum seit einem Jahr von der neuen Technik. Als zertifiziertes Darmkrebszentrum ist das Helios Klinikum die erste Adresse für Menschen, die in der Region an Darmkrebs erkranken. Priv. Doz. Dr. Christoph Wullstein, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Minimalinvasive Chirurgie, führte einst die erste DaVinci-assistierte Darmresektion in Deutschland durch, heute ist der DaVinci ein wesentliches Instrument seiner Arbeit. Doch um wirklich erfolgreich zu sein, ist er auf die Vorarbeit seiner Kollegen angewiesen: „Am Anfang hat der Hausarzt eine Schlüsselrolle“, weiß Wullstein. „Er muss die Warnzeichen richtig deuten und schnellstmöglich eine Darmspiegelung anordnen. Kommt der Patient mit einem Befund zu uns, gilt es, ihn menschlich aufzufangen und durch die Therapie zu führen, aber auch rasch zu handeln, denn das richtige Behandlungskonzept kann in diesem Stadium bereits über Leben und Tod entscheiden.“ Das entscheidende Fundament für eine mögliche Heilung legt fast immer die Operation, bei der der befallene Darmabschnitt sowie die betroffenen Lymphknoten vollständig entfernt werden. Situationsabhängig ist eine Ergänzung durch Chemotherapie und/oder Bestrahlung sinnvoll. 

Die Darmresektion wird im Helios Klinikum Krefeld in 85 bis 90 Prozent der Fälle minimalinvasiv durchgeführt: Keineswegs selbstverständlich, denn trotz erwiesenermaßen deutlich geringerer Heilungschancen halten in Deutschland immer noch viele Kliniken an „klassischen“ Operationsmethoden fest. Das Team der Krefelder Viszeralchirurgie verfügt über einen Erfahrungsschatz von mehr als 1.300 minimalinvasiv durchgeführten Darmresektionen und vollzieht mit dem DaVinci nun den logischen nächsten Schritt. „Mit Blick auf die chirurgische Präzision bei der Entfernung von Tumorgewebe führt das roboterassistierte Operieren zu einer nochmaligen Verbesserung“, bestätigt Wullstein. Weil es in der Krebstherapie aber auf jedes Detail ankommt, greift die Viszeralchirurgie auch in der Nachsorge auf innovative Methoden zurück: Mit dem Maßnahmenkatalog des ERAS-Programms wird die Vermeidung von Komplikationen, die beschleunigte Genesung und die Steigerung des generellen Wohlbefindens der Patienten sichergestellt. „Wir sind schon ein wenig stolz, dass wir als einziges Darmkrebszentrum in der Region ein solches Angebot vorhalten können. Aber dennoch ist die Darmkrebs-Therapie auch heute noch Medizin von Mensch zu Mensch“, bestätigt der Familienvater. 

 

Gynäkologie: Im Ernstfall zwei Leben retten

Das gilt für die gynäkologische Onkologie sogar in besonderem Maße, denn wenn junge Frauen an Gebärmutterhalskrebs erkranken, steht nicht nur ihr eigenes Leben auf dem Spiel: Die Diagnose bedeutet unter Umständen den Abschied vom innig gehegten Kinderwunsch oder gar vom noch ungeborenen Leben. Leben zu erhalten – und zwar in zweifacher Hinsicht –, ist das, was Prof. Dr. Michael Friedrich, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, jeden Tag antreibt. Minimalinvasive, schonende Eingriffe mit dem DaVinci sind dabei vor allem im Frühstadium, wenn der Krebs noch lokal begrenzt ist, sinnvoll: „Ein besonderer Vorteil ist neben der hohen Präzision die starke Vergrößerung des beengten Operationsfelds durch das Objektiv. Sie vereinfacht die Identifikation der sogenannten Wächterlymphknoten, deren Entfernung ein wesentlicher Faktor in der Therapie des Gebärmutterhöhlenkrebses ist“, so Friedrich. Wird der Krebs erst in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert, kommt es auf eine genaue Analyse des Tumorgewebes durch den Pathologen an. „Vor allem der Eierstockskrebs wird oft zu spät erkannt, weil er lange Zeit symptomlos bleibt“, weiß der gebürtige Saarländer. „Dasselbe gilt für den Gebärmutterhalskrebs, wenn die jährliche Vorsorge nicht in Anspruch genommen wird. Der Pathologe bestimmt dann anhand molekularbiologischer Marker Eigenschaften und Wachstumsgeschwindigkeit des Tumors. So können wir eine passgenaue, individuelle Therapie definieren, die nicht nur die Chirurgie, sondern auch innovative zielgerichtete Therapien, Chemo-oder Strahlentherapie umfassen kann.“

Solche modernen Verfahren sind besonders wertvoll, wenn junge Frauen betroffen sind: „Eine 31-jährige Patientin, die davon träumte, Mutter zu werden, kam mit der Diagnose Gebärmutterhalskrebs zu mir. In einer anderen Klinik hatte man ihr zur Entfernung der Gebärmutter geraten. Die Analyse des Tumors ergab jedoch, dass eine schonendere Therapie möglich war. So konnten wir die Gebärmutter erhalten – und damit auch ihre Chance, ein Kind auszutragen. Ein halbes Jahr nach dem Eingriff wurde die Patientin tatsächlich schwanger“, lächelt der Gynäkologe. In einem anderen Fall entschloss sich eine Schwangere nach der Eierstockskrebs-Diagnose ganz bewusst dazu, ihr Kind auszutragen – auch auf die Gefahr, dem Krebs zu erliegen: „Sie wollte lieber nur eine kurze Zeit des Mutterseins erleben, als ein ganzes Leben ohne diese Erfahrung zu führen. Wir behandelten und beobachteten sie während der Schwangerschaft sehr genau. Alles verlief gut: Sie brachte ein gesundes Kind zur Welt, wir führten die stadiengerechte Operation durch. Bis heute ist die junge Frau krebsfrei geblieben“, resümiert der Chefarzt. Es sind auch solche bewegenden Erfolgserlebnisse, für die sich der unermüdliche Einsatz und die oft zehrenden Stunden im Operationssaal lohnen. 

 

Thoraxchirurgie: Innovationsprozesse in der Praxis 

Als neueste Fachabteilung ist in diesem Frühjahr die Thoraxchirurgie in das DaVinci-Programm eingestiegen. „Die Operationen selbst führen wir schon jahrelang offen oder aber mit minimalinvasiven Methoden durch, aber der DaVinci bringt zahlreiche Erleichterungen und erhebliche Verbesserungspotenziale mit sich, die wir uns schon lange gewünscht haben. Wir sind jetzt endlich da, wo wir immer hin wollten“, erläutert Dr. Melanie Toffel, Leitende Oberärztin der Klinik für Thoraxchirurgie. Neben den filigranen 360-Grad-Drehbewegungen der Instrumentenarme auf engstem Raum nennt auch Toffel die extreme optische Vergrößerung durch die 3D-Kamera als wesentlichen Vorteil: „Statt einer drei- oder vierfachen Vergrößerung verfügen wir jetzt über eine zehnfache, mit der wir etwa bei der Entfernung von Lymphknoten feine Nervenbahnen viel deutlicher erkennen und so für die Patienten noch schonender arbeiten können“, berichtet sie.

Um künftig Mittelfell-Tumore durch ein „Schlüsselloch“ entfernen zu können, anstatt wie bisher das Brustbein zu öffnen, durchlief die Chirurgin – wie ihre Kolleginnen und Kollegen der anderen Fachrichtungen – ein intensives Training. Dabei wurde sie nicht nur mit den Funktionsweisen und technischen Feinheiten des DaVinci vertraut gemacht, vielmehr galt es auch, sich an ein komplett neues OP-Setting zu gewöhnen: „Ich stehe nicht mehr direkt am Patienten, sondern sitze in einiger Entfernung an der Konsole des DaVinci“, berichtet sie. „Diese Distanz erfordert eine ganz andere Kommunikation mit dem Rest des OP-Teams, denn wo sonst ein Blickkontakt reichte, muss jetzt wieder mehr miteinander gesprochen werden.“

 

OP-Pflege: Versiertes Team im Hintergrund

Mittlerweile steht am Helios Klinikum ein OP-Team bereit, das im vergangenen Jahr über 200 DaVinci-Eingriffe erfolgreich betreut hat. „Der Ablauf einer DaVinci-Operation ist komplett anders“, berichtet OPFachpfleger Georg Märzhäuser. „Vor allem die Positionierung des Patienten auf dem OP-Tisch und des OP-Roboters zueinander erfordern höchste Präzision, um alle technischen Möglichkeiten voll ausnutzen zu können.“ Das Team, das für die Unterstützung der Operateurin direkt am Patienten steht, begleitet die Operation am Bildschirm und kann entsprechend schnell auf Anweisungen reagieren. „Gute Kommunikation ist extrem wichtig, gerade weil die Operateurin oder der Operateur vom Geschehen am Tisch entkoppelt ist“, so Märzhäuser. Die Herausforderung, die die Einbindung der neuen Technik in den Arbeitsalltag bedeutet, wird mit Enthusiasmus angenommen, wie der Pfleger bekräftigt: „Alle OP-Pflegekräfte zeigten großes Interesse daran, den DaVinci kennenzulernen und die entsprechenden Fortbildungen zu absolvieren. In der Medizin kann man nicht stehenbleiben. Das gilt für die Ärzte genauso wie für die begleitende Pflege.“

 

Ein Blick nach vorn

Die Integration des DaVinci am Helios Klinikum ist im vergangenen Jahr erfolgreich verlaufen. Doch der Schritt hin zu einer roboterassistierten Chirurgie markiert nur den Anfang. Vernetzung, Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden in den OP-Sälen eine zunehmend größere Rolle spielen – und neben neuen Herausforderungen auch neue Chancen mitbringen. Die Mediziner des Helios Klinikums bringen diese Aussichten nicht aus der Ruhe: Aufgeschlossen und neugierig zu bleiben, neue Techniken zu erlernen und sich weiterzuentwickeln, ist schließlich eine ihrer Grundtugenden.