Es ist meine erste minimalinvasive Operation mit einem Roboter. Die anspruchsvolle Aufgabe: das Annähen der Harnröhre an die Blase. Ein kritischer Moment, denn wenn die Naht nicht sauber ist, kann später Urin in die Bauchhöhle eindringen. Vorsichtig öffne ich mit einer Bewegung von Daumen und Mittelfinger an der Steuerungseinheit den rechten Greifer und bekomme so die gebogene Nadel zu fassen. Mit einer Drehbewegung meines Handgelenks durchsteche ich das empfindliche Gewebe der Blase, wechsle dann auf den linken Greifarm, greife die Nadel und ziehe sie mit dem Faden nach. Kurz durchatmen, dann folgt der nächste Stich, der nun durch die Wand der Harnröhre geführt wird ...

Minimalinvasive Operationen sind Millimeterarbeit. Die Instrumente werden mithilfe dünner Stangen (Laparoskope) durch münzgroße Öffnungen in der Bauchdecke eingeführt und dann „von außen“ bedient, die Sicht auf die zu behandelnden Organe erfolgt über eine mit eingeführte Kamera. Eine hoch präzise Verfeinerung dieser Methode stellt das innovative Operationssystem Da Vinci Xi dar. Es erlaubt die zentrale Steuerung von bis zu vier Instrumenten sowie der Kamera. Der Operateur sitzt an einer Konsole und bedient am sogenannten Patientenwagen befestigte Arme über zwei Handsensoren sowie ein Fußpedal. Ein Videobildschirm mit 3D-Übertragung in HD-Qualität und zehnfacher Vergrößerung gewährt ihm freie Sicht. Ein menschlicher Assistent verbleibt zum schnellen Austausch der Instrumente und zur zusätzlichen Absicherung direkt am Operationstisch. Priv.- Doz. Dr. Christoph Wullstein, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Minimalinvasive Chirurgie am Helios Klinikum Krefeld, hat mehrere dutzend Stunden am Simulator des Da Vinci Xi absolviert, bevor er seine erste Operation daran durchführte. „Wir verwenden ihn bei onkologischen Eingriffen im Bauch- und Beckenraum, vor allem in der Urologie und Viszeralchirurgie, etwa für Prostataresektionen oder Darmkrebsoperationen“, erklärt Wullstein, der bereits vor rund 20 Jahren Erfahrungen mit der damals ersten Generation der neuen Technik sammelte. „Der medizinische Vorteil liegt in der großen Genauigkeit: Es werden 360-Grad-Drehbewegungen auf kleinstem Raum ermöglicht, zu denen das menschliche Handgelenk gar nicht in der Lage ist“, weiß der Chefarzt. „Darüber hinaus bin ich trotz der räumlichen Distanz viel näher am Geschehen als bei einer herkömmlichen Operation.“ Was zunächst paradox klingt, leuchtet ein, wenn man selbst am Da Vinci sitzt und über die Verbindung mit der Kamera tief in den Körper des Patienten eintaucht. Die sitzende Haltung mindert die körperliche Belastung, die feine Sensorik gleicht unwillkürliches Zittern der Hände aus: vor allem bei zeitaufwändigen Eingriffen nicht zu unterschätzende Pluspunkte.

Das Helios Klinikum Krefeld verfügt seit Anfang des Jahres über den Da Vinci der neuesten Generation. Die Technik gibt es zwar schon länger, doch erst jetzt war man wirklich davon überzeugt, sie zum Vorteil der Patienten einsetzen zu können. Auch wenn die Vorstellung für manchen noch gewöhnungsbedürftig ist, viele wünschen sich bereits heute ausdrücklich, mit dem Da Vinci behandelt operiert zu werden. „Wir schlagen seinen Einsatz natürlich nur dann vor, wenn es aus unserer Sicht medizinisch sinnvoll ist, überlassen aber dem Patienten die finale Entscheidung. Wichtig ist es, ihm zu vermitteln, dass er nicht von einer Maschine operiert wird. Auch der Begriff ,Roboter' ist irreführend, denn der Da Vinci agiert nicht selbsttätig, sondern ist nur ein Werkzeug, das vom Operateur gesteuert wird“, gibt Prof. Dr. Martin Friedrich, Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurologie, zu bedenken. Natürlich sind mit dem Einsatz des Da Vincis Mehrkosten verbunden, die allerdings nicht an den Patienten weitergegeben, sondern vom Helios Klinikum als Investition in die Zukunft der operativen Medizin und im Hinblick auf ein noch besseres Ergebnis für den Patienten getragen werden.

Friedrich, der andere Da Vinci-Spezialist am Helios Klinikum, überwacht auch meine kleine Testoperation. „Sehr gut. Greifen Sie die Nadel jetzt mit der rechten Hand und halten Sie sie im rechten Winkel“, instruiert er mich. „Stechen Sie mit einer Drehbewegung durch die Harnröhre. Jetzt umgreifen und nachziehen. Genau so.“ Doch mir entgleitet die virtuelle Nadel und verschwindet in einem toten Winkel der Kamera in der Bauchhöhle. Durch Betätigung des Pedals schalte ich von der Steuerung der Arme auf die Kamera um und kann auf diese Weise „herausfahren“, bis ich die Nadel wieder entdecke. Ich bin wirklich froh, nur Computerorgane vor mir zu haben. Aber der erfahrene Urologe macht mir Mut. „Wenn Sie die Branche wechseln wollen, sehe ich eine mögliche Alternative für Sie“, scherzt er trocken. Zwar müsste ich noch etliche Stunden Training investieren, um auch nur ein Loch in der Hose meines Sohnes mit dem Da Vinci zu flicken, trotzdem deutet sich mir das riesige Potenzial des Geräts schon in den wenigen Minuten der Simulation an. Die Steuerung ist extrem vielseitig, filigran und intuitiv. Die Verknüpfung mit der Kamera verblüffend. Aber während des Tests wird mir auch wirklich bewusst, was für eine hohe Verantwortung ein Operateur übernimmt, mit welcher enormen Konzentration er bei der Sache sein und vor allem welche künstlerische Fingerfertigkeit er neben dem medizinischen Fachwissen mitbringen muss. Daran ändert auch die neue Technik nichts, im Gegenteil. Die beiden Operateure sind froh über den Da Vinci, der ihre eigenen Fertigkeiten noch unterstützt. Und der Patient, der künftig davon profitiert, wird es auch sein. 

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