Eigentlich war der Gedanke schon länger da. Spätestens, als ich mein Mittagessen mal wieder zu schnell heruntergeschlungen und mein Magen mir einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, erinnerte mich mein Kopf wieder daran, dass ich unbedingt etwas ändern wollte. Dass ich anfangen muss, mein Essen wieder mehr zu genießen und das am besten mit Lebensmitteln, die mich glücklich machen. Wie lässt sich das aber am besten vereinen? Eine Antwort dazu bekam ich beim Treffen des Slow Food® Conviviums Duisburg-Niederrhein auf dem Stautenhof in Willich-Anrath.

Wer sich mit dem Thema gesunde und bewusste Ernährung auseinandersetzten möchte, ist auf dem Stautenhof per se schon mal an der richtigen Adresse. Anika Launert ist zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Stautenhofes und führt zu Beginn direkt einmal über den großen Hof. Schon von Weitem hört der Besucher das Gackern der Hühner und das Grunzen der Schweine. Hier werden Natur und artgerechte Tierhaltung gelebt und praktiziert. Nur ein paar Schritte trennen den Besucher von den Stallungen, und schon kann mit angeschaut werden, wie die Rinder ihr Futter bekommen oder beinahe euphorisch zum ersten Mal auf die Blumenwiese gelassen werden. Hier darf ein Tier noch ein Tier sein, und wenn das bedeutet, dass ein Schafbock gemeinsam mit den Pferden schlafen geht, dann ist das so. Gnadenfrist inklusive. Dass, was Beate und Christoph Leiders hier aufgebaut haben, entspricht einem Lebensgefühl, dass unlängst viele für sich entdeckt haben, wie Ute Meusel, Slow Food® Conviviumsleiterin Duisburg-Niederrhein, erklärt: „Der Stautenhof ist für uns ein gutes Beispiel für Slow Food®, obwohl es hier sogar noch weiter geht und nur Bio-Ware angeboten wird“, erläutert Meusel. In der Tat ist Bio für den Stautenhof eine Lebenseinstellung: „Wir leben ‚Bio‘ aus tiefster Überzeugung“, rezitiert Launert die Wertevorstellung des Hofes. 

Ist Bio aber gleich Slow Food®? Nicht unbedingt, wie Ute Meusel aufklärt: „Natürlich ist es schön, wenn Lebensmittel ‚Bio‘ sind, aber kleinere Läden können sich die Zertifizierung oftmals gar nicht leisten.“ Deswegen ist das auch kein Kriterium dafür, ob etwas zu Slow Food® zählt oder eben nicht. Aber woran erkennt der Laie denn dann, ob ein Restaurant oder auch ein Hersteller, nach dem Slow Food®-Prinzip, das von Gründer Carlo Petrini aufgestellt wurde, arbeitet? „Es gibt drei Kriterien, nach denen wir die Hersteller oder Restaurants bewerten: sie sind gut, sauber und fair“, so die Conviviumsleiterin. Aber wann genau ist eine Mahlzeit gut? Nach der Slow Food®-Philiosophie ist ein Gericht dann gut, wenn es „wohlschmeckend, nahrhaft, frisch, gesundheitlich einwandfrei, die Sinne anregend und befriedigend ist“, so Meusel. Hierbei geht es aber nicht nur um die reine Befriedigung des Hungers, sondern vielmehr auch um den Genuss: „Es hat viel mit der Einstellung zu tun, wie jemand etwas isst“, klärt Meusel auf und fügt hinzu: „Man kann eine ganze Tafel Schokolade herunterschlucken oder ein Stück genussvoll auf der Zunge zergehen lassen.“ Bereits hier fühle ich mich ertappt und an viele Ermahnungen von Ärzten erinnert. Wird einem da nicht immer zum langsamen Essen und mehrfachem Kauen geraten? Hier setzt die Slow Food®-Bewegung also auch mit einem gesundheitlichen Aspekt an.

Während des Gesprächs treffen weitere Teilnehmer der Slow Food®Gruppe ein. Der eine hat selbst gebackenen Kuchen dabei, der andere zerkleinerte Pilze. Alles selbst hergestellte Lebensmittel und in der Herstellung einwandfrei, genauso, wie es auch das zweite Kriterium wünscht. „Als ‚sauber‘ werden Lebensmittel bezeichnet, die hergestellt werden, ohne die Ressourcen der Erde, die Ökosysteme oder die Umwelt zu belasten und ohne Schaden an Mensch, Natur oder Tier zu verursachen“, so Meusel. Hier gehe es vor allem auch um die Herstellungsbedingungen. Etwas, mit dem sich auch der Stautenhof auskennt, denn auch hier werden nur Lebensmittel hergestellt und verkauft, die „nach strengen Standards des ökologischen Landbaus im geschlossenen Kreislauf erzeugt wurden“, erläutert Launert. Mit ein Grund also, warum sich die Gruppe genau hier trifft. 

Aber auch die Bezahlung der Produzenten muss stimmen, was letzten Endes das dritte Kriterium aussagt: „Die Produzenten müssen gescheit bezahlt werden, und wir hinterfragen immer, ob der Preis zur Qualität passt“, so die Conviviumsleiterin. Das könne dann auch mal dazu führen, dass die Gruppe, die regelmäßig auch Restaurants auf Herz und Nieren prüft, eines ausschließt, weil der Preis zu günstig für die angebotene Qualität ist: „Wenn ich ein hervorragendes Stück Filet habe, aber dafür unter zehn Euro zahle, weiß ich, dass da etwas nicht stimmen kann“, erklärt Meusel. Einen Leitgedanken, den sowohl die Slow Food®-Bewegung als auch der Stautenhof teilen, ist der Gedanke der Regionalität: „Ich habe zum ersten Mal in einem Italienurlaub darüber nachgedacht, was ich essen kann, wenn ich keine Pizza haben möchte und so die tollsten regionalen Restaurants entdeckt“, berichtet Meusel mit vollem Enthusiasmus. 

Letzten Endes ist es wohl die Leidenschaft, die sowohl die Slow-Food®Anhänger als auch die Mitarbeiter des Stautenhofes auszeichnet. „Wir wollen nicht mit erhobenem Zeigefinger dastehen, sondern mit dem Genuss überzeugen“, bringt Meusel es auf den Punkt. Ein Argument, das mich zum Nachdenken anregt und mich beim nächsten Stück Schokolade daran erinnert, das manchmal auch weniger mehr sein kann.

Info: Wer mehr über Slow-Food® erfahren möchte, kann sich auf der Internetseite www.slowfood.de informieren.