Technologische Entwicklungen haben in der Medizin schon immer eine tragende Rolle gespielt. Mit dem Einsatz der VirtualReality wird aktuell eine weitere Innovation auf den Weg gebracht, die als therapeutisches Training gegen Demenzerkrankungen erste Tests im Helios Cäcilien-Hospital Hüls erfolgreich absolviert hat. Mit einem Programm des Krefelder Start-Up-Unternehmens Weltenweber können ältere Patienten eine Reise ins Krefeld der 1950er Jahre unternehmen und so auf Erinnerungen ihres Langzeitgedächtnisses zurückgreifen. Noch steht die Behandlungsmethode an ihrem Anfang; allerdings stießen die ersten Trainings mit der konstruierten Realität auf positiven Anklang. 

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Bild der Seidenstadt enorm verändert. Wo einst ein Tabakladen und ein Zeitungsgeschäft an der Rheinstraße standen, befindet sich heute der Textildiscounter Primark, und die Haltestelle im Zentrum wurde unter großem Aufwand gläsern überdacht. Ein Stuhl in der Mitte eines leeren Raumes und das Aufsetzen einer kopfumschließenden VR-Brille reichen, um an Demenz erkrankte Patienten auf eine Zeitreise zurück an diesen Punkt zu schicken. Diese Methode könnte schon bald als therapeutisches Mittel in vielen Krankenhäusern eingesetzt werden. „Das Projekt bei uns im Haus hat noch Pilotcharakter. Entsprechend behutsam arbeiten wir mit dieser neuen Technologie“, erklärt Dr. Friedhelm Caspers, Chefarzt der Klinik für Akutgeriatrie und Frührehabilitation, und merkt an: „Für sehr ängstliche ältere Patienten ist sie weniger geeignet; anderen bereitet die Erfahrung große Freude. Die Reise in die Vergangenheit weckt vielfach positive Erinnerungen.“ Seit September arbeitet die HeliosKlinik mit den Weltenwebern zusammen und testet das Programm behutsam an aufgeschlossenen Demenzerkrankten. Noch lässt sich kein allgemeingültiges Urteil fällen, doch erste Erfolge bei den bislang rund 20 behandelten Patienten deuten an, dass dieses Rehabilitationstraining künftig eine spannende Option bei Demenzerkrankungen werden könnte. Bislang fand Virtual-Reality hauptsächlich Anwendung in der Bekämpfung von Angststörungen und Phobien. „Gute Ergebnisse können zum Beispiel bei Höhenangst oder auch bei Angst vor Schlangen erzielt werden. Hier kann die VR-Technik bei der Behandlung unterstützen, Ängste langfristig abzubauen“, erläutert Dr. Caspers, für den diese Technologie kaum noch wegzudenken ist. Der Rundgang durch das Krefeld der 1950er-Jahre wiederum ergänze zunächst das übliche Gedächtnistraining der Patienten. „Das Langzeitgedächtnis kann leichter als das Kurzzeitgedächtnis stimuliert werden, gerade durch visuelle Reize. Deshalb arbeiten wir seit Langem mit alten Fotoalben, Musik, Schauspielern und Filmen aus der Jugendzeit unserer Patienten. Sich mit vertrauten Dingen zu umgeben und in Erinnerungen zu schwelgen, gibt Sicherheit“, meint der behandelnde Arzt.

Nicht nur als Behandlungsmethode eröffnet die aus der Gaming-Branche stammende Technik neue Möglichkeiten. Die Ausbildung von Ärzten und Chirurgen kann durch Trainingsprogramme mit der VR-Brille und zugehörigen Controllern, die Abläufe der Hand in das Programm übertragen, vereinfacht und präzisiert werden. „Wie bei Piloten, die im Flugsimulator trainieren, können Ärzte Operationstechniken, endoskopische Eingriffe oder auch nicht-operative Implantationen von Herzklappen virtuell üben – ein toller Fortschritt, der die Patientensicherheit deutlich erhöht“, erläutert Dr. Caspers und gibt sich dabei überzeugt von der Vielfältigkeit der VR-Technologie. Mit eben solchen Schulungen und Trainings-Programmen wollen sich die Weltenweber in Zukunft mehr befassen. Das vierköpfige Team arbeitet derzeit an Sicherheitstrainings im Bereich Maschinenbau und könnte sich eine Übertragung ins breite Spektrum der Medizin durchaus vorstellen. „Eigentlich kommen wir alle aus der Gaming-Branche, haben Gamedesign studiert und damit auch unsere ersten Erfahrungen gemacht. Doch vor einiger Zeit haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, vielfältigere Möglichkeiten zu suchen und einen Mehrwert mit unserer Arbeit zu bieten“, verrät Programmiererin Dominika Wester, die viel Zeit in die Entwicklung des Krefeld-Rundgangs investiert hat. Nachdem die Idee ausgereift war, suchten sich die Weltenweber einen Partner, der an innovativen Technologien und Forschung interessiert ist. Die Ansprechpartner des Helios-Klinikums in Hüls freuten sich über die Chance, den Patienten ein reales Bild ihrer Stadt bieten zu können und so ein weiteres Rehabilitationsprogramm ins breite Repertoire der Möglichkeiten aufzunehmen. „Wir wollten den Patienten des Krankenhauses ein möglichst echtes Bild ihrer Vergangenheit vermitteln und haben dafür viel recherchieren müssen. Doch wenn wir die Freude sehen, die unser Programm auslöst, können wir zufrieden mit unserer Arbeit sein“, erklärt Lukas Kuhlendahl, der ebenfalls am Projekt mitgewirkt hat. Zwar ist die Testphase noch nicht abgeschlossen, doch bei anhaltend positiver Rückmeldung könnten bald auch andere Krankenhäuser mit einer virtuellen Version ihrer Stadt, in der sich Demenzerkrankte ihren Erinnerungen hingeben können, ausgestattet werden.

Weltenweber, Kleinewefersstraße 1, 47803 Krefeld, E-Mail: info@weltenweber.com