Es ist ein Tag im Jahr 2013, den Andreas Beume wohl nie vergessen wird. Als seine Ehefrau nur kurz auf den Boden schaut und ihn dann wieder ansieht, fragt sie: „Wer bist du? Und wo bin ich?“ Sie erkennt weder ihren geliebten Partner noch kann sie die Namen der Kinder nennen oder sich selbst im Spiegel identifizieren. Sie wird in eine Klinik gebracht und die Ärzte stellen fest, dass eine posttraumatische Belastungsstörung den Gedächtnisverlust hervorgerufen haben muss.

Für Beumes Frau, damals Anfang dreißig, beginnt ein Prozess aus Klinikaufenthalt und Reha, der anstrengend ist, den sie aber gut übersteht. „Schon während der Reha habe ich gemerkt, wie gut ihr Sport und Bewegung tut“, erinnert sich Beume. „Sie hat mir erzählt, dass ihr das oft viel mehr gibt als Gespräche und Sitzungen.“ Als seine Frau zurück nach Hause kommt, möchte der Tönisvorster sie unterstützen und macht sich auf die Suche nach Reha-Angeboten für psychisch Erkrankte im Kreis Viersen und in Krefeld. Fündig wird er dabei nicht. Eine Situation, die viele kennen, stellt der Tönisvorster fest: „Ich habe in ganz Nordrhein-Westfalen nur 80 Reha-Sportgruppen für Menschen mit einer psychischen Krankheit gefunden. Gerade nach einem Klinikaufenthalt ist es aber besonders wichtig, Gleichgesinnte auch außerhalb der medizinischen Räume zu treffen und dabei eine Beschäftigung zu finden.“ 

Aus eigener Initiative entsteht der Verein „Aktiv für die Seele“ Beume lässt sich beraten und beschließt nach Gesprächen mit dem Behindertensportverband, selbst die Initiative zu ergreifen und nicht nur seiner Frau, sondern auch anderen psychisch erkrankten Menschen in Krefeld und dem Kreis Viersen Möglichkeit zur Rehabilitation außerhalb der Klinik zu geben. Er gründet den Verein „Aktiv für die Seele“ . „Ich habe mich entschlossen, den Übungsleiterschein zu absolvieren und noch weitere Freunde und Bekannte davon überzeugen können“ , erklärt der Sport- und Fitnesskaufmann. „Wir haben uns speziell im Reha-Sport für Menschen mit einer psychischen Erkrankung fortgebildet.“ Zwei Reha-Sportkurse in der Woche in Krefeld und Tönisvorst kann der Verein inzwischen anbieten, außerdem finden außerhalb des normalen Wochenplans Zusatzangebote wie Kreativworkshops oder autogenes Training statt. Die Teilnahme ist kostenfrei und wird über die Krankenkassen finanziert. Die 37-jährige Nadine und die 33-jährige Kathrin sind zwei der Teilnehmer, die das Angebot des Reha-Sports in der Turnhalle des HPZs in Krefeld wahrnehmen. 

Für beide ist die wöchentliche Sportgruppe Rückzugsort und Kraftspender zugleich. „Es gibt Menschen, die haben ein gebrochenes Bein oder einen gebrochenen Arm und dann gibt es Menschen wie uns, denen man nicht auf den ersten Blick ansieht, dass etwas nicht stimmt“ , erklärt Nadine. „Da sind Tage, an denen fällt es mir schwer, hierher zu kommen, weil ich nicht aus dem Bett komme oder wieder zu sehr in mir feststecke, dann möchte ich nicht hören ‚stell dich nicht so an‘ .“ Die beiden jungen Frauen fühlen sich von der Gruppe wertgeschätzt und verstanden, sie fühlen sich so, als seien sie unter sich. Denn jeder, der montags in die Sportgruppe kommt, hat ein Leiden, das eben nicht oberflächlich erkennbar ist. Für Kathrin, die seit vielen Jahren an schweren Depressionen leidet, aber auch eine Sozialphobie hat, käme es nicht in Frage, an einem öffentlichen Ort Sport zu treiben. „Beim Joggen im Park würde ich mich beobachtet fühlen, im Fitnessstudio hätte ich das Gefühl, dass mich jeder anstarrt“ , schildert die 33-Jährige. Auf die Sportgruppe ist sie durch eine Gruppentherapie im Alexianer aufmerksam geworden. Und auch für Nadine wäre ein Sportkurs außerhalb des Reha-Angebotes für psychisch Erkrankte nicht vorstellbar, erklärt sie: „Ich bin aufgrund einer Essstörung und einer Depression in Behandlung und bin nach körperlicher Anstrengung schnell erschöpft. Hier in der Halle muss ich mich dafür nicht rechtfertigen.“ Kann Nadine nicht mehr und möchte sich setzen, gibt sie Trainerin Claudia Wichmann ein Handzeichen. Wichmann hat ganz besondere Antennen für ihre Teilnehmer: Den Übungsplan passt sie nicht nur genau den Bedürfnissen der belasteten Menschen an, sondern hört gleichzeitig aufmerksam zu, beobachtet haargenau und interpretiert an den richtigen Stellen. „Auch bei unserer Sportgruppe ist Fitness wichtig, steht aber nicht an erster Stelle“, erzählt sie. Zu Beginn des Kurses zeigen die Teilnehmer per Handzeichen, wie sie sich heute fühlen. Danach werden Übungen und Spiele für die Wahrnehmung, die Beweglichkeit, die Reflexe und das Gedächtnis gemacht. „Wir lachen viel und das ist mir wichtig“ , betont die Übungsleiterin. „Hier gilt: Jeder nach seinen Möglichkeiten, ich möchte fordern aber nicht überfordern.“

Sie haben Interesse, an einem Reha-Sportkurs für psychisch Erkrankte teilzunehmen? Der Verein „Aktiv für die Seele“ berät Sie gerne: www.aktiv-fuer-die-seele.de oder via Telefon: 02151 533 522