Der kleine Johann, der am 11. Juni geboren wurde, steckt vom Fuß bis zum Oberschenkel in Gips. Doch er hatte keineswegs einen Unfall, vielmehr kam er mit der häufigsten angeborenen Deformität auf die Welt: dem Pes equinovarus, besser bekannt unter dem mittelalterlich anmutenden Begriff „Klumpfuß“. In der Kinderorthopädie des Helios Klinikums Krefeld werden jährlich rund 30 bis 40 Neugeborene mit Klumpfuß behandelt. Dank der sogenannten Ponseti-Methode, die heute als weltweiter Standard gilt, leben betroffene Kinder nach der Therapie ohne Beeinträchtigung.

Die Deformation an Johanns Füßen fiel schon vor seiner Geburt bei einer Ultraschalluntersuchung auf. „Die Diagnose hat uns zuerst erschrocken“, erinnert sich Stefanie Hüser, die Mutter des kleinen Jungen. „Auch hat uns der Begriff ,Klumpfuß' abgeschreckt. Aber nachdem wir uns dann im Internet informiert und uns ans Helios Klinikum gewendet hatten, waren wir deutlich entspannter.“ Etwa 0,1 bis 0,3 Prozent der Neugeborenen in Deutschland sind von dem Geburtsfehler betroffen, der meist an beiden Füßen, seltener an nur einem und bei Jungen etwa doppelt so häufig wie bei Mädchen auftritt. Es handelt sich um einen Komplex mehrerer Missbildungen der Fuß- und Sprunggelenksregion: Charakteristisch sind unter anderem eine verkürzte Achillessehne, die zum „Spitzfuß“ und zur verdünnten „Storchenwade“ führt, sowie die Einwärtsdrehung (Supination) des Fußes nach innen. Vom echten Klumpfuß unterscheiden muss man die harmlose Klumpfußstellung, die auf Haltungsprobleme im Mutterleib zurückzuführen ist und nach einer krankengymnastischen Behandlung wieder verschwindet.

Der Klumpfuß wird in vier Schweregrade unterteilt, wobei die Behandlung immer die gleiche ist, wie Reza Pasha, leitender Arzt der Kinderorthopädie des Helios Klinikums Krefeld, erläutert: „Nach der Ponseti-Methode legen wir im Idealfall schon unmittelbar nach der Geburt einen Korrekturgips an, der dann etwa drei Monate lang im Wochenrhythmus durch einen neuen ersetzt wird. Diese Gipse üben Druck aus und bringen den Fuß nach und nach in die richtige Stellung.“ Anschließend folgt eine kurze Operation der Achillessehne. Sie hat ihre Verlängerung zum Ziel, mit der die erwähnte Spitzfußstellung beseitigt wird. Im dritten Therapieschritt erhält das Kind eine Schiene, die in die Sohlen eigens dafür gefertigter Schuhe eingerastet wird. „Die Schiene gewährleistet die richtige Stellung der Füße zueinander und muss drei Monate lang Tag und Nacht getragen werden“, erläutert Dr. Tim Broja das System. Wenn diese Phase überstanden ist und das Kind beginnt, sich krabbelnd fortzubewegen, wird die Schiene nur noch nachts angelegt, das allerdings bis zum Erreichen des vierten Lebensjahres. Nur in ganz schweren Fällen ist ein größerer chirurgischer Eingriff nötig, bei dem der Fuß sprichwörtlich auseinander genommen und wieder neu zusammengesetzt wird.

Disziplin ist für den Therapieerfolg entscheidend, weiß Pasha: „Die Knochen kleiner Kinder sind noch weich und gut formbar. Aber es besteht immer die Gefahr, dass der Fuß in die Ursprungshaltung zurückgeht, vor allem in der Zeit, in der er noch nicht belastet wird.“ In der Regel sind es nicht die Kinder, denen die Disziplin schwer fällt: „Wenn wir mit der Behandlung beginnen, wissen die Kinder noch gar nicht, dass sie Füße haben und sie empfinden weder Gips noch Schiene als Beeinträchtigung ihrer Freiheit“, so Pasha. „Es sind meist die Eltern, die dem Unwillen des Kindes Vorschub leisten, indem sie auf ein Weinen mit dem Abnehmen der Schiene reagieren. Hat das Kind erst einmal gelernt, dass es auch ohne Schiene geht, wird es deutlich schwerer, sie ihm wieder anzulegen.“ Eltern, die von der im Alltag manchmal lästigen Schiene genervt sind, sollten sich immer wieder vor Augen führen, wofür sie gut ist. „Da der Klumpfuß auf einen genetischen Defekt zurückgeht, ist er nicht im klassischen Sinne heil-, sondern nur therapierbar. Es bleibt meist die ,Storchenwade' übrig und ganz typisch sind unterschiedliche Fußgrößen. Aber nach erfolgreicher Behandlung zeigen die Kinder keinerlei funktionale Beeinträchtigung mehr. Ich habe schon Kinder behandelt, die später trotz Klumpfuß in den Leistungssport gegangen sind“, macht Pasha Hoffnung.

So gut der Klumpfuß behandelbar ist, so wenig weiß die Medizin über seine Ursachen. „Er kommt häufiger vor, wenn es in der Familie bereits Klumpfuß-Fälle gab. Auch geht er oft mit anderen Missbildungen einher“, gibt Broja Einblick in die Forschung. „Aber mehr in Erfahrung zu bringen, ist schwierig. Man müsste dazu schwangere Frauen untersuchen und miteinander vergleichen, da gibt es auch ethische Hürden. Zumal auch keine echte Notwendigkeit besteht, die Forschung vor- anzutreiben, da wir den Klumpfuß heute so gut therapieren können.“ Begünstigt wird der Erfolg durch einen frühen Start der Therapie: „Je eher wir anfangen, umso schneller zeigt sich das Resultat und umso geringer ist die Gefahr eines Rückfalls“, empfiehlt Pasha betroffenen Eltern eine zügige Entscheidung. Es ist nicht unüblich, dass Säuglinge schon wenige Tage nach der Geburt den ersten Gips erhalten. Zu diesem Zweck hat das Helios Klinikum für Klumpfuß-Patienten eine eigene Gips-Sprechstunde eingerichtet: Einmal in der Woche werden alle aktuellen Fälle eingeladen und nacheinander gegipst. Diese Sammelbehandlung hat einen weiteren positiven Nebeneffekt: „Zu sehen, dass man nicht allein ist, und sich mit anderen Eltern austauschen zu können, hat uns sehr geholfen“, berichtet Hüser. „Denn der Schreck über Johanns Füße nach der Geburt war schon groß – obwohl wir ja wussten, was auf uns zukommt.“

Bei Johann wird die Ponseti-Therapie Ende August in die dritte Phase treten. Dann werden die schweren Gipse abgenommen und er bekommt seine Schiene. Besonders Charlotte, Johannes' dreijährige Schwester, freut sich schon darauf. „Sie möchte unbedingt mit ihrem kleinen Bruder in die Badewanne. Und wir können endlich die kleinen Stinkefüße waschen“, lacht die Mama. Der erste Vorgeschmack auf ein baldiges Leben ohne Beeinträchtigungen. Für Johann und seine Familie. 

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