Versorger, Umsorger, Seelsorger: Die Anforderungen an professionelle Pflegekräfte sind hoch, und bereits heute besteht bei wachsendem Bedarf ein Fachkräftemangel in der Branche. Wie genau dieser gedeckt werden und wie die Zukunft der Pflege in der Bundesrepublik aussehen könnte, wissen nur diejenigen, die diese aktiv mitgestalten – so wie Prof. Dr. Matthias Mertin und Dr. Daniela Hayder-Beichel. Die beiden haben im Fachbereich Gesundheitswesen der Hochschule Niederrhein das Fach „Pflegewissenschaft“ in Form eines dualen Studiengangs etabliert und möchten so dazu beitragen, die nächsten Generationen helfender Hände für die Herausforderungen der Zukunft zu rüsten.

Pflegebedarf heute und morgen: Eine Übersicht
Laut statistischem Bundesamt wird die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2050 von circa 2,6 Millionen auf rund 4,5 Millionen anwachsen. Derzeit arbeiten nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (Stand März 2018) jedoch nur 1,1 Millionen Menschen bei Pflegeeinrichtungen und -Diensten. Dieser Trend zeichnet sich nicht nur in Deutschland ab: Manche Länder setzen deshalb bereits auf die Technologisierung der Branche. So wird in Japan zum Beispiel stark in die Robotik investiert. „Robear“, ein menschengroßer Bären-Androide wird bereits in der Pflege genutzt. Sein flauschiger Verwandter „Paro“ – eine Robbe mit Elektrokern – dient seit mehreren Jahren der Beschäftigung von Demenz- und Alzheimerpatienten. Ob sich das Modell der robotergestützten Pflege auch im innovationsskeptischen Deutschland durchsetzen wird, ist fraglich. Doch in Anbetracht der Lage muss sich die Branche weiterentwickeln.

Das Pflegefach: Studium statt Ausbildung
Die sogenannte Pflegewissenschaft hat ihren Ursprung in den USA des frühen 20. Jahrhunderts und wurde hierzulande in den 90er Jahren etabliert. Seit April 2018 kann das Fach „Pflege“ nun auch in Voll- und Teilzeit an der Hochschule Niederrhein studiert werden. Anders als die meisten anderen Studiengänge setzt dieser kein Abitur voraus. Wer bereits eine Ausbildung in der Pflege absolviert hat, dem bietet das Teilzeitstudium eine Möglichkeit zur akademischen Weiterbildung. Der neunsemestrige Vollzeit-Studiengang für Einsteiger hingegen beinhaltet eine Ausbildung zum Gesundheitspfleger mit Praxisphasen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, ebenso wie die Vermittlung wissenschaftlicher Grundlagen in Form unterschiedlicher theoretischer Module. „Unsere Studenten sollen später in der Lage sein, evidenzbasierte Pflege zu leisten – dazu gehört auch, erkennen zu können, was fundierte und was unseriöse Forschungsinhalte sind“, erläutert Matthias Mertin. „Außerdem vermitteln wir vertiefende Kenntnisse spezieller Felder der Pflege wie Wund- und Inkontinenzversorgung, aber auch Beratung und Betreuung von Pflegebedürftigen und Angehörigen.“ Durch ihr breites Fachwissen seien die Absolventen in der Lage, komplexe Probleme zu erkennen und entsprechend ganzheitlich zu behandeln. „Pflegewissenschaftler gestalten die Zukunft der Pflege mit. Deshalb finde ich die Akademisierung des Berufs auch absolut gut und richtig“, so Mertin.

Was die Vision dieser Zukunft betrifft, sind sich beide Dozenten einig. „Da es zu wenige Pflegekräfte gibt, kann es ein, dass wir perspektivisch technische Unterstützung brauchen. Die soll und kann meiner Meinung nach aber nicht den Menschen in der Pflege ersetzen“, erläutert Daniela Hayder-Beichel. Zur Vereinfachung es Berufsalltags seien technische Helfer wie Roboter allerdings durchaus denkbar. „Die Pflegewissenschaft wird die Gestaltung neuer Technologien mitbestimmen. Wir müssen uns fragen: Was ist eigentlich Pflege? Was können wir der Technik überlassen und was nicht? Ich denke, künstliche Intelligenz wird niemals in der Lage sein, die Nuancen menschlicher Empathie zu erkennen und zu verstehen. Allerdings könnten Roboter durchaus Tätigkeiten übernehmen, die die Pfleger heute noch unter starker körperlicher Anstrengung leisten müssen.“ Auf diese Weise könnte es den Pflegekräften der Zukunft möglich sein, mehr Zeit in die kommunikative Betreuung zu investieren, in der viele Betroffene die eigentliche Hauptaufgabe der Fachkräfte sehen. 

Dennoch: Robear, Paro und Co. werden vorerst wohl nicht in deutsche Altersheime Einzug halten. Deren Aufgaben verrichten nach wie vor Menschen aus Fleisch und Blut. Erste Tests mit  Androiden wurden allerdings auch hier schon vorgenommen. Unter anderem am Uniklinikum Halle, wo ein Roboterprototyp namens „Pepper“ Anfang des Jahres auf seine Funktionstauglichkeit geprüft wurde. Zur Übernahme von Pflegeaufgaben ist er jedoch noch nicht in der Lage.  

Hochschule Niederrhein, Fachbereich Gesundheitswissenschaften, Bachelor Pflege,
Ansprechpartnerin: Dr. Daniela Hayder-Beichel,
Tel.: 02151 8226755, Mail: daniela.hayder-beichel@hs-niederrhein.de,
Web: https://www.hs-niederrhein.de/gesundheitswesen/studieninteressierte/b-sc-pflege/