Das Gefühl, dass wir unsere Zeit nicht optimal genutzt oder „uns gehen lassen“ haben, führt zum Jahreswechsel, wenn wir die vergangenen zwölf Monate Revue passieren lassen, regelmäßig zu einem schlechten Gewissen. Eine typische Reaktion darauf sind reuevoll getätigte gute Vorsätze, von denen „mehr Bewegung“, „mehr Sport treiben“ oder, noch direkter, „abnehmen“ bundesweit auf den vorderen Plätzen landen dürften. Doch sportliche Betätigung hat viel weit reichendere als bloß körperliche Folgen: Sport steigert nicht nur das physische Wohlbefinden, es verbessert auch unser Immunsystem und unsere Selbstwahrnehmung erheblich. Es ist demnach sehr wahrscheinlich, dass jemand, der körperlich fit ist, am Ende des Jahres gar keine „guten“ Vorsätze mehr fassen muss: Nicht unbedingt, weil er bereits sein Idealgewicht hält, sondern weil er sich vielmehr selbst mit ganz anderen Augen betrachtet – und demnach auch kein schlechtes Gewissen hat.

Die Lebensrealität der vieler Menschen sieht so aus, dass sie tagsüber ihrem Beruf nachgehen – mit hoher Wahrscheinlichkeit einem Bürojob und demnach reiner Kopfarbeit – und abends allein oder mit der Familie auf der Couch „entspannen“. Doch diese Entspannung ist trügerisch: Denn eine Hälfte des Hirns, das Bewegungszentrum, bleibt bei diesem Lebenswandel chronisch unterfordert, während die andere, das Denkzentrum, quasi im Dauerbetrieb läuft. Sie können sich das vorstellen wie bei Ihrem Computer: Wenn Sie ihn nicht hin und wieder ausschalten oder wenigstens seinen Papierkorb leeren, wird er kontinuierlich langsamer. Sport bewirkt genau diesen Reboot, ein Durchlüften und Ausmisten des Hirnspeichers, der das Denkzentrum entlastet. Voraussetzung dafür, dass das funktioniert, ist jedoch ein Mindestmaß an körperlicher Anstrengung – gemütlich Spazierengehen ist zwar gut, aber noch nicht ausreichend. Erst, wenn wir ins Schwitzen kommen und unsere Muskulatur strapazieren, werden die Botenstoffe ausgeschüttet, die uns Glücksgefühle bescheren und das Wachstum der Nervenzellen im Hippocampus anregen. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Bewegung gerade im Alter das Erinnerungs- und Denkvermögen steigert. Kein Wunder also, dass Sportprogramme, etwa in der Depressionsbegleitung, heute von den Krankenkassen gefördert werden.

Sie werden aber auch ganz allgemein eine Veränderung in ihrem täglichen Befinden feststellen, wenn Sie anfangen, sich mehr zu bewegen: Zu wissen, dass Sie Ihren inneren Schweinehund überwunden und eine Herausforderung gemeistert oder etwas Neues ausprobiert haben, fühlt sich einfach gut an (vorausgesetzt natürlich, Sie haben eine Sportart für sich gefunden, die Ihnen tatsächlich Freude bereitet und die Sie nicht als Quälerei oder Zeitverschwendung empfinden). Und das steigert sich noch, wenn Sie bemerken, dass Sie sich mit jedem Tag ein Stück verbessern. Keine Sorge, ich möchte Sie gar nicht dazu auffordern, auf Rekordjagd zu gehen. Auch, wenn Sie sich ganz entspannt, ohne Zielvorgabe, betätigen, werden Sie spüren, dass Sie von Tag zu Tag ein bisschen fitter und leistungsfähiger werden. Dazu kommt eine auf Hochtouren laufende Verarbeitung von Alltagssorgen und Stress, die Ordnung und Platz in Ihrem Kopf schafft. Probleme, die sich vorher meterhoch vor Ihnen aufzutürmen scheinen, erscheinen plötzlich weitaus weniger einschüchternd. Das Gefühl, die Dinge seien festgefahren und unveränderlich, gerät ebenfalls in Bewegung und Sie erkennen, dass Sie selbst bestimmen, wie Sie mit diesen Situationen umgehen. Ihr Selbstbild verändert sich: Sie werden selbstbewusster, geduldiger, gelassener und genügsamer im Umgang mit sich und den Dingen. Spätestens am nächsten Silvester, wenn es wieder darum geht, ein Resümee zu ziehen und gute Vorsätze fürs neue Jahr zu treffen, werden Sie das ganz sicher merken. Probieren Sie es doch einfach einmal aus!