Liebe Leserinnen und Leser,

heute möchte ich Sie dazu einladen einen kleinen Blick in meinen Praxisalltag zu werfen. Nicht immer geht es dabei um meine Patienten, auch um mein eigenes Team muss ich mich kümmern. Vor allem, wenn es sich unerwartet verändert. Erst kürzlich erreichten mich zwei Kündigungen, sodass ich mich auf die Suche nach neuen Mitarbeitern machen musste. Bestimmt ist Ihnen nicht entgangen, dass in allen Branchen der viel zitierte Fachkräftemangel herrscht, die Zahnmedizin ist davon leider nicht ausgenommen. Erfahrene, freundliche, kompetente und verfügbare Fach- oder zahnmedizinische Prophylaxe-Angestellte sind sehr rar geworden – so dachte ich zumindest. Auf die üblichen Stellenanzeigen in den einschlägigen Fachzeitschriften oder auf Online-Portalen kamen dann auch kaum Reaktionen.

Als ich einem befreundeten Unternehmer mein Leid klagte, empfahl er mir eine Agentur aus Düsseldorf, die sich auf das Recruiting für Zahnärzte spezialisiert hat. Im ersten Kennenlerngespräch wurde ich sogleich mit einer Sturzflut von Informationen über die aktuellen Verhaltensweisen, Vorlieben und Aufmerksamkeitsspannen der jungen Menschen von heute torpediert. Zwar dachte ich, noch nah am Puls der Zeit zu sein, dochweit gefehlt. Es geht nicht mehr ohne Social Media. Facebook, Instagram, Tik Tok, LinkedIn, Snapchat und wie sie alle heißen mögen. Dies sind die Aufenthalts- und Treffpunkte junger Leute. Wer sich hier nicht zeigt und um Aufmerksamkeit buhlt, der bekommt keine neuen Mitarbeiter. Es ist ein Mitarbeitermarkt geworden, der Arbeitgeber muss sich bewerben. Die Agentur erstellte also eine Bewerbungskampagne die sie möglichst vielen Menschen in den sozialen Netzwerken präsentiert. Wen die Kampagne anspricht, der wird innerhalb von fünf Minuten durch anklickbare Ja-Nein-Fragen geführt und zu einem Abschlussknopf gleitet. Auf diesem steht ganz einfach: „Möchten Sie jetzt ein sofortiges Job-Angebot erhalten – ohne Bewerbung?“ Schon nach kurzer zeit flatterten die ersten viel versprechenden Anfragen in mein E-Mail-Postfach.

Ich bin baff. Wie in unserer gesamten Welt so scheint auch auf dem Arbeitsmarkt ein Klimawandel zu herrschen. Praktiken, die man für unabdingbar und unveränderlich hielt, werden durch neue abgelöst. Wo führt das noch hin? Die Antwort auf diese Frage muss aufgeschoben werden. Für mich ist sie im Moment auch nicht so wichtig, denn ich habe jetzt erst einmal mehrere gute Kandidatinnen, die ich einladen darf. Vielleicht darf ich mich ja auch bei Ihnen als Zahnarzt bewerben?