Für Fans von Science Fiction-Szenarien gehören intelligente und menschenähnliche Roboter zur Standardbesetzung – selbstverständlich auch in der Medizin. Während bei Star Trek ein kleines universelles Handgerät in Sekundenbruchteilen einen detaillierten Befund auswirft und Patienten auf einem intelligenten Tisch wie von Zauberhand geheilt werden, ist die Medizintechnik der Realität noch nicht ganz so weit fortgeschritten. Konkrete Ansätze für eine robotische Revolution von Medizin und Pflege sind aber schon heute erkennbar. Auch am linken Niederrhein?

Unsere Spurensuche beginnt in der Urologie im Malteser Krankenhaus St. Josefshospital in Krefeld-Uerdingen, wo bereits heute Menschen routinemäßig mit der Unterstützung eines Roboters operiert werden. „In unserem Haus ist der sogenannte Da Vinci-Roboter der amerikanischen Firma Intuitive Surgical bereits seit 2015 im Einsatz. Europaweit wurde erstmalig im Jahr 2002 mit dem System operiert“, erläutert Chefarzt Dr. med. Marcus Horstmann. „Dabei kann man nicht oft genug betonen, dass es sich um ein robotorassistiertes System handelt. Weiterhin operiert also ein Mensch und weiterhin ist auch ein Mensch verantwortlich – eben nur mit robotischer Unterstützung“, betont der Urologe und Leiter des Malteser Robotikzentrums.

Konkret gliedert sich das weit über eine Millionen Euro teure System, das ursprünglich zu militärischen Zwecken entwickelt wurde, in drei Elemente: Eine Steuerkonsole mit Bildschirm, Fußschaltern und Handstücken, an der der Operateur Platz nimmt; eine Konsole, in der die hochkomplexe Rechentechnik verbaut ist und ein von der Steuerkonsole aus ferngesteuertes Stativ mit vier Roboterarmen, bestückt mit Instrumenten und einer 3D-Kamera, das die Bewegungen des Operateurs umsetzt. „Es handelt sich um ein laparoskopisches und somit minimalinvasives Verfahren. Operiert wird in der Regel in der mit CO2 gefüllten Bauchhöhle. Das Da Vinci-System eignet sich vor allem für Eingriffe, die auf engem Raum stattfinden und diffizile Präparationen mit funktionellen Rekonstruktionen erfordern – beispielsweise die Entfernung der Prostata“, erläutert Dr. Horstmann und verweist auf Studien, die den großen medizinischen Nutzen für bestimmte Operationen belegen.

Der entscheidende Vorteil: Durch die Robotertechnik lassen sich die Instrumente mit höheren Freiheitsgraden nutzen als in der konventionellen Laparoskopie. Zudem assistiert die Technologie auch handwerklich: Ein sogenannter Tremorfilter rechnet ein etwaiges Zittern des Operateurs heraus und überführt es in eine glatte und sanfte Bewegung. „Letztendlich reagiert das System aber ausschließlich auf die Eingaben der Steuerkonsole und handelt zu keinem Zeitpunkt autonom“, betont der Mediziner, der  sich grundsätzlich dafür einsetzt, dass auch andere Fachbereiche der Klinik von dem Hightech-System Gebrauch machen: „Auch wenn wir heute hauptsächlich in der Urologie roboterassistiert arbeiten, eignet sich das Verfahren prinzipiell auch für andere Fachgebiete wie die Gynäkologie, Allgemeinchirurgie oder unsere Kollegen aus dem Kopf-Hals Bereich.“ 

Bei aller Begeisterung für das Da Vinci-System kann sich Dr. Horstmann nicht vorstellen, dass in der Urologie Roboter in absehbarer Zukunft autonom operieren und somit den Menschen am OP-Tisch überflüssig machen. Zu einem anderen Schluss kommt Patrick Tejada, Geschäftsführer des Krefelder Pflegeunternehmens „Pflege Gemeinsam“, der sich durchaus vorstellen kann, dass in einigen Jahrzehnten Roboter den Beruf des Gesundheits- und Krankenpflegers vollständig übernehmen: „Betrachtet man die gewaltigen Fortschritte im Bereich der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz, halte ich es für denkbar, dass Roboter in kleinen Entwicklungsschritten die Aufgaben eines menschlichen Pflegers übernehmen könnten. In fünfzig Jahren ist der Altenpfleger dann vielleicht ein Roboter – warum auch nicht, wenn er seine Arbeit zuverlässig verrichtet?“

Bereits heute gibt es seitens der Hersteller intensive Bemühungen, den Pflegebereich mit Robotertechnik zu revolutionieren: Die Roboter-Robbe Paro gilt als zuverlässiger Ersatz für die Tiertherapie bei Demenzkranken und sogenannte Exoskelette – motorisierte Arme und Beine zum Umschnallen - helfen Pflegepersonal bei ihrem anstrengenden Knochenjob. „Im robotik-affinen Japan gehören bereits heute ansprechbare Serviceroboter, die zum Beispiel Getränke in Altersheimen ausschenken, zum absoluten Standard. Hier in Deutschland herrscht aber seitens des Personals noch sehr viel Skepsis gegenüber Robotertechnik und daher sind Paro, Exoskelette und Serviceroboter im Alltag noch nicht anzutreffen“, ergänzt der technikbegeisterte Geschäftsführer, der bereits heute in vielen Bereichen seines Unternehmens Hightech nutzt. „Viele technische Innovationen, die uns die Digitalisierung beschert, sehe ich als Vorstufe zur Robotik und wir haben damit bereits sehr gute Erfahrungen machen können“, so Tejada mit Blick auf Virtual Reality-Seniorenausflüge in die Vergangenheit, von fliegenden Drohnen gefilmte Ausflüge und vielgenutzte Streaming-Dienste wie Netflix und Spotify in der Senioren-Wohngemeinschaft des Unternehmens.

Sei es im OP des St. Josefshospitals oder im Alltag des Pflegepersonals von Pflege Gemeinsam: Roboter oder roboterähnliche Hilfsmittel sind bereits heute im Einsatz und die Entwicklung scheint unumkehrbar. Dabei steckt Deutschland im internationalen Vergleich in dieser Hinsicht noch in den Kinderschuhen und bis Menschen in Medizin und Pflege gänzlich überflüssig werden, wird wohl noch viel Zeit verstreichen und manch eine ethische Diskussion geführt werden müssen. Reine Science Fiction sind Roboter im Gesundheitswesen aber bereits heute nicht mehr.