Wer bislang diesen konzentriert in sich gekehrten Gesichtsausdruck von Sylvester Stallone alias Rocky für intensive Schauspielkunst gehalten hat, wird überrascht sein. Genau diese Konzentration zeigt sich dienstags und freitags in einer Fischelner Turnhalle auf rund zwanzig Gesichtern. Auf Gesichtern zwischen sieben und fünfzehn Jahren jung, die sonst höchstens im Mathematikunterricht so dreinschauen. Der Grund hierfür: Rope Skipping. Die neue, akrobatische Form des Seilspringens schult Kraft, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit. Zudem macht es offenbar großen Spaß. Musik wummert, Pferdeschwänze hüpfen im Takt, die Seilchen schwirren durch die typisch medizinballmuffige Turnhallenluft.

Mit dem, was sich früher zu gereimten Versen auf Schulhof abgespielt hat, hat diese Sportart nur noch das Seilchen gemein. Heute nennen diese sich Speed Ropes, sind aus Kunststoff und wiegen fast nichts mehr. Je nach Erfahrung des Rope Skippers ist es länger oder kürzer. Für Anfänger gilt: Beim Draufstehen muss es bis zu den Schultern reichen. Heute sind vier Schnupper-Kinder zu Besuch. Co-Trainer Sebastian Hüskes zeigt ihnen, wie sie ihre Ropes durch geschicktes verknoten ihrer Körpergröße anpassen. Andere werden von Sebastians Mutter Resi in die Umkleiden zur Trinkpause gescheucht. Ein wuseliger Haufen aus rosa T-Shirts und Gekicher verschwindet im Nebenraum. Die Trainingsleiterin Johanna Fee Dillmann lacht. „Daran können wir Betreuer immer recht schnell erkennen, ob die Kinder und Jugendlichen Feuer gefangen haben“, erklärt die 21-jährige Erzieherin in der Ausbildung. „Wenn sie völlig vergessen zu trinken oder zu pausieren, dann kommen sie weiterhin in unser Training.“ Aus diesem Grund achtet Resi Hüskes besonders auf den Nachwuchs: „Vielen fehlt am Anfang noch die Kraft in Armen und Beinen. Die Kondition muss sich erst langsam aufbauen.“ 

Tatsächlich macht die Gruppe keinen müden Eindruck. Nach dem gemeinsamen Aufwärmen werden an vier verschiedenen Stationen Sprünge geübt. Alle Kommandos des Trainer-Teams erfolgen auf Englisch. Auch die jeweiligen Disziplinen, Seil-Typen und Sprünge haben englische Namen. Die Mädchen tauschen Tricks aus und zeigen sich gegenseitig, welche Moves sie zu ihrem aktuellsten Lieblingslied gerne ausprobieren möchten. Gerötete Wangen unter funkelnden Augen. Nochmal Trinkpause. Jungs finden sich nur selten ein; ab und zu verirrt sich mal ein Neugieriger. „Die wenigsten bleiben allerdings, denn die Gruppen-Choreographien zur Musik fallen ihnen oft schwer“, erzählt Johanna Dillmann. Dabei würde sich der 22-jährige Co-Trainer über männliche Verstärkung freuen. „Alles reine Übungssache“, sagt er, zuckt mit den Schultern und läuft schon wieder zur Musikanlage. Ähnlich wie etwa beim Eiskunstlauf spielt die Musik eine tragende Rolle für die jungen Sportlerinnen.

Wettkämpfe, wie sie inzwischen deutschlandweit durchgeführt werden, können sich die Mädchen noch nicht vorstellen. Sie verstehen Rope Skipping nicht so sehr als Wettkampfsportart, sondern eher als trickreichen ShowAct. Alle gemeinsam fiebern und trainieren sie dem alljährlichen Auftritt bei den Fischeln-Open entgegen. Eine willkommene Herausforderung für die Truppe. Und das absolute Highlight nach den Sommerferien. „Da können wir endlich allen zeigen, dass wir nicht einfach nur Seilchen springen“, sagt die 13-jährige Emilie Gepphert. Sie trainiert seit etwa vier Jahren regelmäßig zwei mal pro Woche und könnte sich auch weitere Auftritte vorstellen. „Das motiviert und hält das Interesse wach.“ 

Genauso wie die Herbst-Camps in Niederwörresbach. Das kleine Örtchen in Rheinland-Pfalz ist bekannt für sein sportliches Engagement. Ein Wochenende lang werden dort in großem Stil Rope Skipper aus ganz Deutschland trainiert. Sieben Stunden täglich. Danach kommen sie glücklich, mit Muskelkater in den Armen und dem Kopf voller neuer Sprungkombinationen wieder nach Hause. Und diejenigen, die das über Jahre machen, werden nicht nur immer fitter, sondern auch immer besser. Mit gleich mehreren springen sie zwischen zwei rotierenden Seilen; in Händen zusätzlich ihre eigenen Ropes. Dem Zuschauer fällt es schwer, den einzelnen hüpfenden Kreisen zu folgen, so schnell sind sie. Ein schönes Bild. Die älteren Profis machen sogar blitzschnelle Liegestütze und Spagat bei Bodenkontakt. Akrobatik im und mit Seil. Tatsächlich offenbart sich bei längerem Zusehen eine ernstzunehmende Sportart. Auch Bewunderung stellt sich ein. Für den Mut und die Schnelligkeit, mit der sich selbst die Jüngsten ins Getümmel werfen. 

In Baden Württemberg wurde der spielerische Ausdauersport bereits in den Schulsport integriert. Auch für das Deutsche Sportabzeichen ist er im Gespräch. Rope Skipping verbrennt eine Menge Kalorien, fördert die Gruppendynamik und macht besonders den Mädchen Freude. Endlich wurde eine Alternative zu den üblichen Ballsportarten geschaffen, die dennoch klassenstärkenkompatibel ist. Ein Blick ins Internet zeigt, Rope Skipping macht auch in Youtube-Videos eine gute Figur . So hat eine Erfindung aus dem 17 . Jahrhundert sich zum Klassiker mit Coolnessfaktor gemausert. Bei aller Kunst darf jedoch auch das notwendige Handwerk nicht fehlen. „Deshalb üben wir die Basisschritte immer und immer wieder“ , betont Johanna Dillmann. „Nur so bekommen alle die notwendige Routine, um darauf aufbauend auch experimentieren zu können.“ Außerdem fühlen sich so später auf der Bühne alle sicher . Das vermeidet nicht zuletzt auch Unfälle. Bisher ist, abgesehen von ein paar gerissenen  Haargummis und abgefallenen Speed Rope-Griffen, jedoch nichts geschehen. Die 12-jährige Tamara Hüskes springt ungeduldig von einem Bein aufs andere. Sie muss jetzt zum Konfirmanden-Unterricht und kann sich kaum losreißen. Seit vier Jahren trainiert die quirlinge kleine Sportskanone in Fischeln. Am Freitagnachmittag wird sie wieder herkommen, wenn die Fortgeschrittenen sich treffen. Sie lädt uns kurzerhand ein zu kommen und hüpft los – auch ohne Seil.

Weiter Informationen unter www.fischelner-sportverein.de.