Mit dem Laufen ist es, wie mit vielen Dingen im Leben: Hat man überhaupt keine Ahnung, glaubt man, es sei ganz leicht. Dann, nach dem ersten Versuch, beschleicht einen der Verdacht, es ginge eigentlich garnicht. Mit ein bisschen mehr Erfahrung weiß man – es geht viel, wenn nicht alles. Nur die wenigsten unter uns kämen deshalb gleich auf die Idee, „alles“ auch in die Tat umzusetzen. Ganz im Gegensatz zu Jörg Giesen. Der Krefelder und 17-fache Iron-Man lief schon in der Sahara und auf dem Mount Everest. 

„Es gibt immer irgend etwas, worauf man sich vorbereiten kann“, sagt der hochgewachsene Mann, der keine Herausforderung scheut. „Im Moment trainiere ich für einen Ultralauf nächstes Jahr am Polarkreis.“ Eine Weile habe er nur wenig bis garnichts getan. Jetzt hat er wieder ein Ziel vor Augen. Um das klarzustellen: Wenig bis garnichts ist bei Jörg Giesen zwei bis drei Mal wöchentlich ein ausgedehntes Joggen. Nicht etwa Chipsessen auf dem Sofa. Die explizite Lauf-Vorbereitung umfasst dann tägliches bis mehrfach tägliches Laufen – in dieser Relation ist zwei Mal pro Woche natürlich wenig. Für den 52-Jährigen ist Laufen mehr als ein Hobby. Seinem Verständnis nach kann er seinen Sportbedarf „Laufsport Bunert“ nur authentisch führen, wenn er selbst läuft und immer neue Produkte testet. 

„Ich hatte das große Glück, nach 20 Jahren bei Bayer, mein Hobby zum Beruf machen zu können. So kann ich alles prima miteinander verbinden“, erklärt der studierte Elektrotechniker, der erst relativ spät das Laufen für sich entdeckt hat. Heute findet eine Business-Besprechung mit Laufschuh-Vertretern auch schon mal bei zwei, drei lockeren Runden durch den Krefelder Stadtwald statt. Sein Laden auf der Rheinstraße in Krefeld ist jetzt seit 17 Jahren Anlaufpunkt für Sportler. Dabei seien es besonders die Anfänger und Hobby-Sportler, die einer guten Beratung bedürfen. Die Profis finden sich irgendwann selbst zurecht im nahezu unüberschaubaren Equipment-Angebot. 

„Dabei braucht es zum Laufen eigentlich nur guten Willen und gute Schuhe“, erklärt der Profi. „Der Rest ist Motivation.“ Und, unverzichtbar für Anfänger, Pausen! Ein Lehrsatz aus Jörg Giesens B-Trainer-Ausbildung: Trainig macht nicht besser, Training macht müde. Die Verbesserung findet erst in den zwei Tagen Erholungsphase zwischen den Trainingseinheiten statt. Gerade zum Einstieg sei ein ausgewogenes Verhältnis von Belastung und Anpassung wichtig. „Unser Herz-Kreislauf-System ist sehr gut trainierbar. Da kann man auch am Anfang schnell Erfolge verzeichnen. Der ganze Rest vom Körper, der Bewegungsapparat, die Muskeln, das Bindegewebe, braucht aber viel länger, um sich anzupassen. Deshalb ergibt es Sinn, langsam anzufangen. Sich nicht zu vergleichen. Und langfristig den Körper aufzubauen“, führt Jörg Giesen aus. „Wenn ich nach einer halben Stunde das Gefühl habe, ich hätte noch etwas gekonnt, ist das doch viel schöner, als völlig fertig auf dem Waldweg zu liegen.“

Gerade die Stadt Krefeld mit ihren vielen Grünanlagen bietet genügend Gelegenheiten, sich langsam seine eigene Laufstrecke zu erobern. In der fünfköpfigen Familie Giesen joggen sie alle – mit mehr oder weniger Begeisterung. Seine Frau ist im Herzen immer noch die  Sprinterin, die sie im Leistungssektor früher sehr erfolgreich war. Der Große folgt ihrem Beispiel. Und der Mittlere spielt eigentlich lieber Handball. Einzig die jüngste Tochter tritt als Triathlethin Papas Nachfolge an. Ob sich die Ambitionen der 12-Jährigen auch ins Extreme auswachsen, bleibt abzuwarten. Immerhin haben die Hawaii- und KanadaReisen das Verständnis innerhalb der Familie für Papa Giesens sportliche Vorlieben deutlich erhöht. Für Grönland im nächsten Jahr hat sich jedoch noch kein Familienmitglied als Reisebegleitung angeboten. 

Auch den Wüsten-Lauf 2009 in der Sahara hat er allein bestritten. Der „Marathon des Sables“, ein Ultralauf von über 200 Kilometern Strecke quer durch die marokkanische Wüste, zeichnet sich durch extreme Temperaturschwankungen, lange Einzeletappen sowie die unbequeme Tatsache aus, die ganze Zeit über einen 15 Kilogramm schweren Rucksack inklusive Schlafsack und Nahrungsvorräten mit sich führen zu müssen. „Nach dem Anruf mit der Einladung mitzulaufen hatte ich noch drei Monate Zeit mich vorzubereiten“ , erinnert sich Jörg Giesen. „Als wir dort ankamen, war die Sahara nach Regenfällen und Sandstürmen ein einziger Matsch. Wir konnten erst Tage später als geplant starten. Deshalb verlängerten die Organisatoren die dritte Etappe morgens spontan von 72 Kilometern auf 92 Kilometer. Da habe auch ich zwischendurch Momente, wo ich mich frage, was  ich da eigentlich mache.“ Am Ende bleibt nur die Hoffnung, dass der Kompass korrekt eingestellt ist, und derjenige, der vor einem läuft, weiß, was er tut. Oder wiederum selbst einem folgt, der einen guten Orientierungssinn hat. Selbstverständlich hat Jörg Giesen auch diese Herausforderung gemeistert. 

Reine Kopfsache, so Giesen: „Gerade längere Wettkämpfe sind mental immer ein Auf und Ab. Ich hab auch schon Läufe oder Wettkämpfe abgebrochen, wenn körperlich irgendetwas nicht ganz in Ordnung war. Aber immer wenn man am Start steht, muss man sich sagen: 'Heute is mein Tach!'“ Für Anfänger ist es natürlich schön, es bestätigt einem jemand anderes als der innere Schweinehund, dass heute der Tag der Tage ist. Dafür bietet Laufsport Bunert vier Mal jährlich eine Lauf- und Ausdauerschule an. Dieser Lauftreff ist wirklich angelegt für absolute Einsteiger. Tatsächlich ist Laufen die einzige Sportart, die jedes Jahr Zuwachs hat. Zu Beginn von Jörg Giesens Läufer-Karriere undenkbar: „Als ich angefangen habe, hab' ich mich sonntags nicht in den Wald getraut. Da war ich ein Exot. Heute trauen sich die Spaziergänger sonntags nicht mehr raus, wegen der ganzen Läufer.“ Sein Lieblings-Lauf ist übrigens einer, bei dem er nicht selbst läuft, sondern moderiert – der Krefelder Charity-Run. Gemeinsam mit dem Kinderschutzbund organisiert Laufsport Bunert jährlich diese Veranstaltung. Die Erlöse fließen, wie jedes Jahr, in Projekte des Kinderschutzbundes. Der Startschuss fällt voraussichtlich am 19. Juni 2016 um 12.15 Uhr.