Ein guter Segler muss nicht zwingend auch ein guter Schwimmer sein. Das war die gute Nachricht. Denn das war leider auch schon alles, worauf ein guter Segler an Fähigkeiten verzichten kann. Das benötigte Wissen über die Handhabung der Bootstechnik, das Wetter, den Wind, das angesteuerte Segelrevier sowie die Fachbegriffe und nicht zuletzt die Koordination der einzelnen Manöver im Team machen das Segeln zu einem faszinierenden, aber eben auch komplexen Sport. Umso erstaunlicher , dass ihn auch Menschen mit Behinderung ausüben können. Das benötigte Wissen und Handwerk kann seit vielen Jahren schon im Segelklub Bayer Uerdingen am Elfrather See erworben werden.

Britta Heesen segelt zum Beispiel gerne auf hoher See, am liebsten in der Karibik. Angefangen hat sie mit dem Blindensegeln in einer kleinen Jolle auf dem Elfrather See, wie alle anderen Anfänger auch. Besonders schwer gefallen sei ihr das nicht: „In der Ausbildung bekommen wir die Kommandos ja vorgegeben. Das Vertrauen im Team hat sich dann sehr schnell eingestellt“, erzählt die 36-Jährige. „Unangenehm ist es für mich nur, wenn der Wind direkt von vorne kommt.“ Eine Böe etwa ist für Menschen mit einer Sehbehinderung schwer zu erkennen. Sehende beobachten einfach das Wasserspiel und haben dadurch mehr Zeit zu reagieren. „Sehende können proaktiv segeln, blinde Menschen können oft nur reagieren“, fasst Harald Görg, Ausbilder im Sehbehindertenbereich, die unterschiedlichen Anforderungen zusammen Die Ausbildung verlängert sich dadurch für Blinde auf etwa zwei Jahre. Schließlich müssen diese erst ein besonders Gefühl für die Abläufe entwickeln und sich auf dem Boot zu orientieren. Ist das geschafft, gibt es für Blindfische, wie Britta sich und ihre Kollegen liebevoll nennt, keine Grenze mehr außer dem Horizont. „Das Schöne am Segeln ist einfach die Gemeinschaft“ , sagt sie, „und zusammen verschiedene Reviere kennenzulernen.“ Kaum ein Revier, das sie nicht schon erkundet hätten. Von der Karibik über das Nordmeer zu den Azoren, bis hin zu den Kanaren war schon jedes Sehnsuchtsziel dabei. Und vermutlich gibt es auch keinen Behindertenwitz, den die eingeschworenen Segler von Bayer Uerdingen nicht selbst schon gemacht hätten.

Josef Schmitz sucht unter den Segeln seit 25 Jahren vornehmlich die Entspannung. Wobei sich der inzwischen 59-Jährige offenbar am allerbesten bei Regatten entspannt. Dass ihm eine Hand fehlt, fällt dabei niemandem auf. Erkennbar ist dieser Umstand eigentlich ausschließlich daran, dass er sich bei Wettkämpfen am Ende in der Kategorie „Segeln für Körperbehinderte“ platziert. „Es gibt nichts, was man nicht schafft“, erklärt Josef Schmitz überzeugt, „wenn man nur die Geduld aufbringt, es auszuprobieren.“ Manchmal könne er nicht ganz so effektiv segeln wie nötig, aber mit der richtigen Technik gehe alles. Die für sie richtige Technik können Menschen mit Körperbehinderung auf den vereinseigenen Booten beim gemeinsamen Training herausfinden. Hier verteilt sich die intensive Pflege und Instandhaltung der Yachten und Jollen auf viele Hände. „Freitags bekomme ich hier im Verein den besten Einstieg ins Wochenende“ , sagt Josef und nickt mit wissendem Lächeln herüber zu seinen Segel-Partnern. Die Konzentration beim Wettkampf, die Herausforderung lenkt ihn ab und entspannt. „Ich will etwas leisten“, sagt er und fügt an: „Nach dem Segeln an Land zu sitzen und ein Bierchen zu trinken, tut natürlich auch gut.“ Beim Fachsimpeln sind ohnehin alle gleich. Gleich begeistert, gleich beeindruckt, gleich leidenschaftlich. 

„Auch das ist ja Teil der Faszination Segeln. Dass eine Inklusion über den Verein gelebt werden kann. Der Körperbehinderte muss nicht zwingend einen großen Nachteil gegenüber einem Nicht-Körperbehinderten haben“ , erklärt Frank Suchanek, 1. Vorsitzender des Segelklubs. „Es gibt auch Bootsklassen, da spielt das überhaupt keine Rolle.“ Gerne möchte er die Basis am Elfrather See zum Bundesleistungsstützpunkt für Behinderte aufbauen. Einen Kran, um auch Rollstuhlfahrer sicher vom Steg in die Jollen zu heben, hat der Verein schon. Und viele Jahre Erfahrung in diesem Bereich. Einzig der Nachwuchs fehle. Deshalb haben sich Frank Suchanek und seine Vereinsmitglieder dazu entschlossen, das Klubangebot auch für Nicht-Mitglieder zum Schnuppern zu öffnen: „Wir haben gedacht, nach einem Schnuppertörn für drei Tage mit einer Yacht im Ijsselmeer, weiß auch ein Anfänger, egal ob mit oder ohne Behinderung, ob das ein Sport für ihn ist, oder nicht.“ Schließlich ist selbst dem passioniertesten Segler klar, dass er Teil eines eigenen Völkchens ist. Doch der 54-jährige Vorsitzende ist sich sicher, dass die vielen schönen Erlebnisse das aufwendige Hobby rechtfertigen. 

Die ganze Perspektive auf die eigenen Fähigkeiten und die Umwelt verändert sich durch das Segeln. Schlechtes Wetter wird auf einmal uninteressant; wasserfeste Kleidung ist ohnehin obligatorisch. Der Alltag scheint auf See weit weg. Der Tanz mit den Elementen verdichtet sich zu einem reinen Gefühl der Freude. Das ist bei jedem Segler gleich, ob mit oder ohne Behinderung. Und die Welt besteht für einige Zeit nur noch aus Wind, Licht, Wasser, Geschwindigkeit und Freiheit.

Segelklub Bayer Uerdingen e. V., Vennikelstraße 155, 47802 Krefeld, Telefon: 02151 475110, E-Mail: info@skbue.de, www.skbue.de